Der Shutdown brachte die Menschen, die Gesellschaft, die Welt in eine völlig neue Situation. Niemand weiß, wie es weitergeht, keiner ahnt, wie es in den nächsten Tagen werden wird: Vorschläge, Diskussionen, Entscheidungen, Rücknahmen, neue Vorschläge … Wer Planbarkeit braucht, mit Vorhersagen und Trends arbeiten muss, für den ist die Corona-Krise nicht nur gesundheitlich eine Herausforderung. Da geht es auch um das wirtschaftliche Überleben von Firmen, um das Auskommen von Familien, um Gehälter, Rentenbeiträge, Mieten … Gleichzeitig wirken die letzten Tage und Wochen wie Ferien, Pause oder eine einzige große Langeweile.
Schon vor einigen Wochen überraschte das Frankfurter zukunftsInstitut mit einem Whitepaper, das vier Szenarien vorstellte, um mögliche Folgen der Pandemie zu beschreiben. Mittlerweile hat jede und jeder von uns seine Erfahrungen mit den Einschränkungen gemacht, gute und schlechte, konstruktive und desillusionierende. Da sind die vier Szenarien nicht mehr aktuell, helfen aber den Ist-Zustand differenzierter zu beschreiben.
Im zweiten Teil kann im Gespräch mit dem Sozialpsychologen Harald Welzer über das Veränderungspotential der Krise nachgedacht und eigene Ideen für eine lebenswerte Zukunft entwickelt werden.
Kernkompetenz: Religiöse Grundideen erläutern und als Grundwerte in gesellschaftlichen Konflikten zur Geltung bringen
Jahrgang: 10. – 12. Jahrgangsstufe
Arbeitsformen: Kolloboratives Schreiben, Telefoninterview, Lerntagebuch
Hintergrundinformationen:
Über das Frankfurter zukunftsInstitut: https://www.zukunftsinstitut.de/
Vier Szenarien für die Zeit nach oder mit Corona
Harald Welzers Forschungsinstitut: http://www.futurzwei.org/
Eckart Löhr über Welzers Vorstellungen von Zukunft: »So geht´s. Und wie!«, http://re-visionen.net/eckart-loehr-rezension-zu-alles-koennte-anders-sein-von-harald-welzer/
Vor dem Start
Meta-Reflexive Fragen für den Beginn und den Schluss der Sequenz (unter Umständen für das Lernlogbuch)
- So hat sich mein Leben in den vergangenen Wochen verändert …
- An diesen Stellen kehrte Ruhe in den Beziehungen ein …
- An diesen Punkten nahm der der Stress zu …
- Hier sehe ich neue Chancen, um mit der Welt und den Menschen in Kontakt zu kommen …
- Diese Momente und Konstellationen bedrohen mich und das Zusammenleben mit anderen Menschen …
- Diese Kontakte schwächen sich ab …
- Diese Kontakte werden intensiver …
- Das fehlt mir …
- Darauf freue ich mich …
- Das möchte ich aus diesen Tagen der Trennung und Distanz bewahren, nicht vergessen, fortsetzen, weil es mir wichtig geworden ist …
Phase 1: Alles bleibt wie es war oder was anders werden sollte: Die Gesellschaft nach der Pandemie
- Sammle wichtige positive und negative Erlebnisse und Erfahrungen der letzten Wochen in Deinem Lernlogbuch.
- Leite daraus Veränderungsoptionen für Dein eigenes Leben, für das Zusammensein mit der Familie und die sozialen Verhältnisse in deiner Stadt oder Region ab.
- Tauscht euch über Eure Ideen in der Gruppe aus. Haltet die wichtigsten Überlegungen in einem gemeinsamen Dokument (z.B. Etherpad) fest.
- Ergänze Deine Eintragungen im Lernlogbuch.
Phase 2: Vier Zukunftsszenarien für eine Gesellschaft nach der Pandemie
Totale Isolation
Du hast Dich an den Shutdown gewöhnt. Wir bezahlen kontaktlos mit Karten, Handys, Uhren oder implantierten Chips. Wir tragen schicke Handschuhe und stylische Masken. Es gibt sogar schon Kollektionen dafür im Internet, passend zu den Handschuhen. Für die Ferienreise brauchen wir eine Genehmigung. Reisen außerhalb der EU werden fast unmöglich. Die Grundversorgung im Handel ist sicher, aber auch nicht mehr. Alle leben in der totalen Isolation.
System-Crash
Die Pandemie ist zu einem Dauerzustand geworden. Die Idee von Nationalstaaten des 19. Jh. wird politisch wieder interessant. Globalisierung war gestern. Die Angst vor neuen Infektionswellen hält die Welt in Atmen. Jede Lockerung wird zuerst als Gefährung verstanden. Die Grenzen bleiben geschlossen, an der Börse werden medizinische Artikel und Produkte der Pharmaindustrie hoch gehandelt. Brachen, die früher Anzeiger für Wohlstand waren, sind kaum noch auffindbar. Die internationale Politik genießt kein Vertrauen mehr.
Neo-Tribes
Die globalisierte Weltgemeinschaft orientiert sich wieder an regionalen und lokalen Strukturen und Interessen. Regionale Erzeugnisse liegen im Einzelhandel ganz vorn. Die Kartoffel vom Bauern nebenan ist die neue Avocado, es geht primär um Nachhaltigkeit. Familie, Haus und Hof steht bei den Zukunftsentwürfen ganz oben. Wer im Osten aufgewachsen ist, fühlt sich an die DDR erinnert, bloß ohne Westfernsehen. Kleine Gemeinschaften entstehen neu und bilden Kontinuitäten. Abgrenzung verspricht Sicherheit.
Adaption
Die Welt begreift die Chancen der Krise und lernt. Man achtet sensibler auf weltweite Veränderungen und versucht möglichst weit die Konsequenzen abzuschätzen. Die Wirtschaft wächst wieder, aber langsamer. Der Kapitalismus wird sozialer. Wachtum ist kein Erfolgskriterium mehr, vielmehr geht es um die Haltung hinter der Ökonomie. Die Anerkennung der Vielfalt des Lebens auf der Erde verhilft den Menschrechten zum Durchbruch. Tier- und pflanzenethsiche Überlegungen gewinnen an Einfluss.
Zum originären Wortlaut und zum Download des Whitepaper
- Erschließe Dir zunächst die Grafik.
- Vertiefe Deine Überlegungen mithilfe des Whitepapers.
- Gleiche die Details der vier Szenarien mit Deinen Erfahrungen ab. Diese Momente treffen heute zu … Diese Einschätzunmgen haben sich nicht bewahrheitet …
- Tauscht euch in der Lerngruppe dazu aus und haltet wesentliche Überlegungen in einem gemeinsamen Dokument fest.
- Sichere Deine Entdeckungen und überzeugende Gedanken aus der Gruppe im Lernlogbuch.
Phase 3: Zukunft entwickeln — Harald Welzer im Interview
Der Sozialwissenschaftler und Zukunftsforscher Harald Welzer denkt über die Potentiale und Chancen nach, die in diesen Tagen stecken: Kann man an der „großen Unterbrechung” etwas lernen? Sollten Gesellschaft und Politik die Chance nutzen, um das menschliche Leben auf der Erde grundsätzlich zu verändern? Lehren die Tage des Stillstands andere Perspektiven auf die großen und kleinen Herausforderungen des 21. Jh. (soziale Gerechtigkeit, Klimawandel, Digitalisierung und Nachhaltigkeit) und des eigenen Alltags?
„Unsicherheit zwingt zum Nachdenken über uns selbst”
Harald Welzer
00:00 — 01:33: Über den After Corona Club
- Recherchiere zur Idee und zum Team hinter dem Club
01:32 — 04:37: Die Veränderungen im Alltag
- Gleiche Deine Wahrnehmungen zum Alltag mit denen Harald Welzers ab.
04:38 — 08:23: Über Pause, Langeweile und Kreativität
- Tausche Dich in einem Telefoninterview über Deine Erfahrungen mit Pausen und Langeweile aus.
- Erzähle von Deinen Strategien zum Wiederfinden der Kreativität.
08:25 — 09:39: Über die Einmaligkeit der Situation
- Befrage Familienangehörige oder Bekannte zu vergleichbaren Situationen.
- Kann man die Situation überhaupt vergleichen?
- Muss man Harald Welzer zustimmen? Oder finden sich Argumente des Widerspruchs?
09:40 — 12:16: Was wirklich wichtig ist
- Welche Berufsbilder erscheinen Dir in diesen Tagen besonders wichtig?
- Wo siehst Du die Helden des Alltags?
12:17 — 13:21: Offene vs. geplante Zukunft
- Gegenwart ohne Zukunft: Gibt es das wirklich?
13:22 — 17:09: Die Bedeutung der Politik
- Das erzählt mir die Krise über unsere Demokratie und unser Gemeinwesen
17:10 — 19:00: Die Krise als Chance
- Ich stimme Harald Welzer darin zu … Ich möchte Harald Welzer widersprechen …
19:01 — 21:15: Die Vergleichbarkeit der Krise oder Kann man aus diesen Tagen lernen?
- Ich meine dazu …
- Ich habe Schule jetzt aus einer anderen Perspektive kennengelernt …
- Deshalb ist mir Schule wichtig …
- An diesen Stellen muss Unterricht wirklich anders und besser werden …
- Für den Religionsunterricht meine ich …
Phase 4: Alles hat seine Zeit
Im Alten Testament wird im Buch des Predigers über Zeit nachgedacht und darüber, ob es sich lohnen könnte, seine Zeit sinnvoll zu verbringen.
- Lies Prediger 3,1−14.
- Erstelle ein Profil für den Autor des Textes.
- Bestimme die Vorstellungen von Zeit.
- Erläutere das Verhältnis zwischen Mensch und Gott, aus Sicht des Predigers.
- Was erzählt der Text in den Tagen des Stillstands, der Trennung, der Pandemie?
- Was würde Harald Welzer dem Prediger entgegnen? Und was denkst Du? Formuliere eine eigene Antwort an den Prediger.
- Tauscht Euch in der Lerngruppe aus und halte wesentliche Überlegungen im Lernlogbuch fest.
Phase 5: Meta-Reflexive Fragen für den Schluss der Sequenz
- Das nehme ich aus dem Video, den Texten und den Gesprächen in dieser Sequenz mit …
- Das war neu und wichtig für mich …
- Darüber wüsste ich gern mehr …
- So habe ich die Zusammenarbeit in der Lerngruppe erlebt …
- Dafür bin ich dankbar …
- Meiner Lehrerin bzw. meinem Lehrer empfehle ich …
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