Hufeisen für Danny

Die Geschich­te ist schnell erzählt. Die klei­ne Emma darf ihr Tablet nicht mit in den Urlaub neh­men und bit­te des­halb ihre Groß­mutter dar­um, sich wäh­rend­des­sen um ihren digi­ta­len Pony­hof zu küm­mern. Wird der Pony­hof, der als Echt­zeit-Game funk­tio­niert, näm­lich ver­nach­läs­sigt, ver­liert Emma das schwer erar­bei­te­te Pferd Dan­ny. Aus dem Gefal­len für die Enke­lin ent­wi­ckelt sich schnell eine Her­aus­for­de­rung, die uner­war­te­te und tra­gisch-komi­sche Blü­ten treibt.

Der Kurz­film „Pony­hof“ (2013) des nie­der­län­di­schen Regis­seurs Joost Reij­mers lädt ein, ent­spannt über Com­pu­ter­spie­le und ihre Bedeu­tung sowie über das Ver­hält­nis von ana­lo­ger und digi­ta­ler Beschäf­ti­gung nach­zu­den­ken, ohne dabei sofort mit Plat­ti­tü­den zur Unsin­nig­keit oder Gefähr­lich­keit von Com­pu­ter­spie­len kon­fron­tiert zu wer­den. Und gera­de der Hype um Spie­le wie Poké­mon Go, wel­che als aug­men­ted rea­li­ty (erwei­ter­te Rea­li­tät) sogar bei­de Wel­ten sehr erfolg­reich mischen, kann ein Anlass sein im Unter­richt aus anthro­po­lo­gi­scher Sicht jene Phä­no­me­ne zu reflektieren.

Wenn in der öffent­li­chen Dis­kus­si­on hit­zig über Com­pu­ter­spie­le gestrit­ten wird, dann meist über soge­nann­te Kil­ler­spie­le und die Fra­ge, ob sie einen gefähr­li­chen Ein­fluss haben oder höchs­tens bei vor­han­de­ner Dis­po­si­ti­on einen ver­stär­ken­den Effekt. Dass man auch noch ganz ande­re Gedan­ken­gän­ge ver­fol­gen kann, soll fol­gen­de Anek­do­te verdeutlichen:

In einer 10. Klas­se, am spä­ten Vor­mit­tag, fiel einer Schü­le­rin wäh­rend des Unter­richts das Han­dy vom Schoß direkt vor die Füße des Leh­rers. Da die Ver­wen­dung des Han­dys in die­sem Fall nicht für unter­richt­li­che Zwe­cke geschah, war für die Schü­le­rin klar, dass sie sich das Mobil­te­le­fon am Ende des Schul­ta­ges wie­der abho­len kann. Ein wenig im Scherz und ein wenig im Ernst frag­te sie dann den Leh­rer, ob sie nicht wenigs­tens noch um 12:00 das Boot bela­den könn­te, es sei sonst weg und ihr gin­ge eine Men­ge Gold verloren.

Bei dem besag­ten Spiel han­del­te es sich um „Hay Day“, wel­ches man als Brow­ser­game auf dem PC oder als App auf dem Smart­phone spie­len kann. Die Beson­der­hei­ten bestehen dar­in, dass es als Social Game funk­tio­niert, also die rea­len Freun­de oder Bekannt­schaf­ten mit ein­be­zo­gen wer­den und es qua­si an die rea­le Zeit gekop­pelt ist. Natür­lich wach­sen Mohr­rü­ben auf der inter­ak­ti­ven Farm wesent­lich schnel­ler als im rea­len Leben, wenn sie jedoch nicht regel­mä­ßig gewäs­sert oder geern­tet wer­den, bleibt die Ern­te eben aus. Ein­fach auf Pau­se drü­cken oder Spei­chern, wie dies bei klas­si­schen Spie­len am PC oder einer Kon­so­le geht, ist nicht mög­lich. Der Pony­hof von Emma funk­tio­niert genau so. Ohne regel­mä­ßi­ge Pfle­ge und Füt­te­rung ster­ben die Errun­gen­schaf­ten, in dem Fall die Pfer­de, und die Farm geht unwei­ger­lich den Bach runter.

Die­se Art von Spie­len besitzt eine hohe Akzep­tanz und Beliebt­heit in allen Alters­stu­fen, was sie als Unter­richts­ge­gen­stand etwas unver­däch­ti­ger macht als etwa Call of Duty. Die oben geschil­der­te Anek­do­te soll aber auch zei­gen, dass sol­che Spie­le nicht nur ein net­ter Zeit­ver­treib sind, son­dern unse­ren All­tag stär­ker struk­tu­rie­ren kön­nen als die Lieb­lings­se­rie, die man nicht ver­pas­sen darf. Und zu guter Letzt wohnt die­sen Spie­len eine aus­ge­feil­te Psy­cho­lo­gie inne und jene Prin­zi­pi­en von Koope­ra­ti­on und Kon­kur­renz, von Moti­va­ti­on und Mani­pu­la­ti­on wer­den in der rea­len Wirt­schaft längst genutzt, um die Effi­zi­enz von Mit­ar­bei­tern zu stei­gern oder aber sind Mit­tel, um die Nut­zer an bestimm­te Gerä­te oder Netz­wer­ke zu bin­den (Stich­wort: Gami­fi­ca­ti­on)

Und abschlie­ßend soll auch noch der Hype rund um Poké­mon Go erwähnt wer­den. Die­ses Spiel auf dem Smart­phone stellt noch ein­mal einen ganz beson­de­ren Typus von Spiel dar. Das dahin­ter­lie­gen­de Kon­zept der aug­men­ted rea­li­ty (erwei­ter­te Rea­li­ti­ät) bedeu­tet, dass die Wahr­neh­mung der Rea­li­tät, i.d.R. die visu­el­le, com­pu­ter­ge­stützt erwei­tert wird. Wir lau­fen also im Spiel und in der Rea­li­tät auf der Hein­rich-Hei­ne-Stra­ße ent­lang, sehen aber durch den Han­dy­bild­schirm ein digi­ta­les Poké­mon, wel­ches gefan­gen wer­den soll. Auch die­ses Spiel hat eine sozia­le Kom­po­nen­te, befrie­digt eine Rei­he mensch­li­cher Bedürf­nis­se und kann maß­geb­lich Ein­fluss dar­auf haben, wie wir die Men­schen und die Welt um uns wahr­neh­men und unser Leben strukturieren.

Kern­kom­pe­tenz: Reli­giö­se Moti­ve und Ele­men­te in der Kul­tur iden­ti­fi­zie­ren, kri­tisch reflek­tie­ren sowie ihre Her­kunft und Bedeu­tung erklären.

Jahr­gang: 5 – 12

Arbeits­for­men: Film­ana­ly­se, krea­ti­ves Schrei­ben, Mind­map­ping, Inter­view­me­tho­de, Kri­te­ri­en gestütz­te Ana­ly­se, Projektarbeit

Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen und Medi­en:

Didak­ti­sches Arrangement

Einstieg

Als Ein­stieg sind meh­re­re Optio­nen denkbar.

Mind­map zum The­ma „Digi­ta­le Spie­le” erstellen

Eine Mind­map kann dazu die­nen, alle Aspek­te von digi­ta­len Spie­len und das vor­han­de­ne Vor­wis­sen sowie die Ein­stel­lun­gen der Schü­ler zu ermit­teln. Inhalt­lich kann dabei zwi­schen den ver­schie­de­nen Platt­for­men (PC, Xbox, Apps auf dem Mobil­te­le­fon, Brow­ser­games in sozia­len Netz­wer­ken…) und den Typen von Spie­len (Spie­le­gen­res, wie Ego-Shoo­ter, Stra­te­gie­spie­le, Simu­la­tio­nen …) dif­fe­ren­ziert wer­den. Die Vor­ga­be eini­ger Kate­go­rien kann den Pro­zess beschleu­ni­gen oder in unte­ren Klas­sen hilf­reich sein.

  1. Ver­voll­stän­digt die Mind­map zum The­ma PC-Spie­le und Co. Geht dabei auch auf Mei­nun­gen, Zwe­cke, Spie­le­platt­for­men und –gen­res ein.

Part­ner-Inter­view zum The­ma „Digi­ta­le Spiele“

Die Schü­le­rin­nen und Schü­ler erar­bei­ten in EA Inter­view­fra­gen zum The­ma „Digi­ta­le Spie­le”. Anschlie­ßend inter­view­en sich die Part­ner gegen­sei­tig, ver­glei­chen ihre Ant­wor­ten und wer­ten das Part­ner­in­ter­view zusam­men aus.

  1. Erstellt in Ein­zel­ar­beit Inter­view­fra­gen zum The­ma PC-Spie­le und Co.
  2. Wählt einen Part­ner und befragt euch gegenseitig.
  3. Ver­gleicht eure Ansich­ten und wer­tet euer Part­ner­in­ter­view in einem Fazit aus.

Krea­ti­ves Schrei­ben: Spie­le aus der Sicht der Eltern oder Großeltern.

Ein inter­es­san­ter Ansatz wäre auch die ver­mu­te­te Fremd­wahr­neh­mung auf Spie­le durch krea­ti­ves Schrei­ben zu ermit­teln. Die Sicht auf PC-Spie­le und Co. wird in den unter­schied­li­chen Gene­ra­tio­nen ten­den­zi­ell ver­schie­den sein. Wenn Schü­ler die Sicht der älte­ren Gene­ra­tio­nen auf ihre Hob­bys und Inter­es­sen ver­mu­ten und zu die­sen Ver­mu­tun­gen Stel­lung bezie­hen, kann inner­halb der Lern­grup­pe ein frucht­ba­rer Aus­tausch über die Mei­nun­gen zu digi­ta­len Spie­len entstehen.

  1. Schreibt aus der Sicht eurer Groß­el­tern oder Eltern einen Stel­lung­nah­me zum The­ma PC-Spie­le und Co.
  2. Nehmt anschlie­ßend zur ver­mu­te­ten Mei­nung eurer Eltern bzw. Groß­el­tern Stellung.

Filmarbeit

Der Film kann grund­sätz­lich im Gan­zen gese­hen wer­den. Inter­es­sant wäre aber sicher auch an eini­gen Punk­ten zu pau­sie­ren und die Schü­ler zu ihren Ver­mu­tun­gen über den wei­te­ren Hand­lungs­ver­lauf zu befragen.

Ein mög­li­cher Punkt wäre bei Minu­te 1:30.

  1. Beschreibt die Wahr­neh­mung der Groß­mutter auf den digi­ta­len Pony­hof ihrer Enke­lin Emma.
  2. Stellt eine begrün­de­te Ver­mu­tung dazu an, wie sich die Groß­mutter ent­schei­den wird und was im wei­te­ren Ver­lauf pas­sie­ren wird.

Eine wei­te­re inter­es­san­te Stel­le wäre bei Minu­te 8:15.

  1. For­mu­lie­re einen Dia­log, der zwi­schen Groß­mutter und Enke­lin statt­fin­den könnte.

All­ge­mei­ne Fra­gen zur Aus­wer­tung des Films.

  1. Beschrei­be, wie digi­ta­le Spie­le in die­sem Kurz­film dar­ge­stellt werden.
  2. Beschrei­be und erklä­re den Ver­lauf der Emo­tio­nen auf Sei­ten der Groß­el­tern bei der Pfle­ge des Ponyhofs.
  3. Ana­ly­sie­re das im Kurz­film dar­ge­stell­te Ver­hält­nis zwi­schen digi­ta­ler und ana­lo­ger Welt. Geh dabei auch auf den Zustand des Gar­tens der Groß­mutter und den am Ende durch­ge­führ­ten Neu­start von Pony­hof ein.

Erarbeitung zum Thema Digitale Spiele

An die­ser Stel­le könn­ten die Schü­ler The­men benen­nen mit denen sie sich ger­ne wei­ter­füh­rend beschäf­ti­gen wol­len oder aber es wer­den Kurz­vor­trags­the­men aus­ge­ge­ben. Denk­bar wäre hier etwa: Die Psy­cho­lo­gie von digi­ta­len Spie­len, Eine Geschich­te der digi­ta­len Spie­le, Spie­le und ihre posi­ti­ven Effek­te, Com­pu­ter­spie­le­sucht, Spie­le als Kul­tur­gut, Social Games, aug­men­ted rea­li­ty, Gamification …

Je nach Leis­tungs­ver­mö­gen und Klas­sen­stu­fe soll­te hier mehr oder weni­ger Hil­fe­stel­lung geleis­tet wer­den. In jedem Fall soll­te mit den Schü­lern zur Psy­cho­lo­gie hin­ter den Spiel­prin­zi­pi­en gear­bei­tet werden.

Hilf­reich sind dabei etwa die Spiel­re­geln von Social Games (Brow­ser­games wie farm­ville auf Face­book) und die Dimen­sio­nen der Bedürf­nis­be­frie­di­gung nach der Gami­fi­ca­ti­on-Theo­rie.

Mög­li­che Auf­ga­ben zur Anwen­dung wären: 

  1. Wei­se die Gül­tig­keit der Aus­sa­gen über Social Games an einem Spiel dei­ner Wahl nach.
  2. Ermitt­le an einem digi­ta­len Spiel dei­ner Wahl inwie­fern die Dimen­sio­nen der Gami­fi­ca­ti­on-Theo­rie durch die­ses Spiel ange­spro­chen werden.
  3. Bewer­te die Erkenntnisse.

Die Spiel­re­geln von Social Games

(aus: http://www.zeit.de/2012/07/Social-Games/seite‑2#social-games-infobox-1-tab)

Reiz und Reak­ti­on – Social Games wen­den kon­se­quent psy­cho­lo­gi­sche Knif­fe an, um ihre Spie­ler zu bin­den und sie dazu zu brin­gen, im Freun­des­kreis neue Mit­spie­ler zu wer­ben. Alle Spie­le funk­tio­nie­ren gemäß die­sen Prinzipien:

  1. Ein­fach anfan­gen. Das Spiel muss sich auf einen Blick selbst erklä­ren, erst mit der Zeit nimmt es an Kom­ple­xi­tät zu.
  2. Nicht über­for­dern. Um flüch­ti­ge Spie­ler nicht mit Miss­erfol­gen zu ver­grau­len, muss sich der Schwie­rig­keits­grad stets an ihren Fähig­kei­ten orientieren.
  3. Nie­mals lang­wei­len. Immer wie­der müs­sen neue Ele­men­te oder Spiel­fi­gu­ren das Spiel abwechs­lungs­reich hal­ten (»Das neue Level der Woche ist da!«).
  4. Nie auf­hö­ren. Ein Ziel gibt es nicht, kein letz­tes Level und kein Ende. Schluss ist erst, wenn der Spie­ler das Inter­es­se verliert.
  5. Kon­tak­te nut­zen. Social Games bin­den alle Kon­tak­te ein, die bereits Nut­zer sind (»Du bist schlau­er als 1 Dei­ner Freun­de. Tei­len!«). Der Zugriff auf den Social Graph, also alle Ver­bin­dun­gen eines Nut­zers im Sozia­len Netz­werk, macht das möglich.
  6. Gegen­sei­tig hel­fen. Sei­ne Freun­de zu unter­stüt­zen und sich für erwie­se­ne Gefäl­lig­kei­ten im Spiel zu revan­chie­ren, erzeugt Wohl­ge­fühl und bin­det an das Spiel.
  7. Mehr wer­den. Die Spie­ler wer­den stän­dig ani­miert, in ihrem Freun­des­kreis Wer­bung zu machen (»Ste­fan lädt Dich ein, Cast­le­Ville zu spielen!«)

Spiel­prin­zi­pi­en — Gamifikation-Theorie

(aus: http://​www​.zeit​.de/​d​i​g​i​t​a​l​/​g​a​m​e​s​/​2​016 – 07/­po­ke­mon-go-app-game-hype-gesell­schaft-beduerf­nis­se)

  • Dimen­si­on Aner­ken­nung: Sehe ich als Spie­ler, dass ich vorankomme?
  • Dimen­si­on Sozia­ler Ein­fluss: Inter­agie­re ich mit ande­ren Spielern?
  • Dimen­si­on Neu­gier: Hält das Spiel Über­ra­schun­gen für mich bereit?
  • Dimen­si­on Eigen­tum: Baue ich mir etwas auf, das ich als eige­nen Besitz wahrnehme?

Reli­gi­ons­päd­ago­gi­sche Perspektiven

Abhän­gig von Klas­sen­stu­fe und unter­richt­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen sind meh­re­re Ansät­ze zur Wei­ter­ar­beit denk­bar, wel­che im Fol­gen­den ange­deu­tet wer­den sol­len. Ein pro­jekt­ar­ti­ger Unter­richts­an­satz bie­tet sich an.

  • Anthro­po­lo­gie in der Ober­stu­fe: Gami­fi­ca­ti­on — Wie Spiel­prin­zi­pi­en unse­ren All­tag prä­gen und wel­ches Men­schen­bild sich dahin­ter verbirgt.
  • Anthro­po­lo­gie in der Ober­stu­fe Wirk­lich­keit 2.0: Auf­wer­tung oder Entfremdung.
  • Sucht und Sehn­sucht und der Umgang mit der eige­nen Zeit in der SekI: Ver­ant­wor­tungs­vol­ler Umgang mit digi­ta­len Spie­len sowie die posi­ti­ven Effek­te des Spielens.
  • Freund­schaft in der SekI: Aus­ge­hend von einem Ver­gleich zwi­schen digi­ta­lem und rea­len Pony­hof, könn­te digi­ta­le und ana­lo­ge Kom­mu­ni­ka­ti­ons­for­men von Freund­schaf­ten ver­gli­chen werden.
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Tobias Neumeister
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