Häufig werden Christ*innen mit der Kritik konfrontiert, dass ihr Lebensstil nicht mit den Vorschriften der Bibel zusammenpasst und geraten dann schnell in Erklärungsnot. „Du sollst auch deine andere Wange hinhalten, wenn dich jemand schlägt. Würdest du das machen, nur weil das in der Bibel steht?“ „Sex vor der Ehe findest du das gut? In der Bibel steht doch, dass das nicht geht.“ „Du sollst nicht lügen. Na, dieses Gebot hast du doch bestimmt auch schonmal gebrochen.“ Dies sind nur einige Beispiele, die endlos fortgeführt werden könnten. Solche Konfrontationen beginnen meist im Jugendalter, wenn Freunde solche absoluten Formulierungen der Bibel aufschnappen und dann ihre (christlichen) Mitschüler*innen aus dem Religionsunterricht fragen, wie sie sich dazu positionieren. Der Religionsunterricht hat hier die wichtige Aufgabe die SuS mit Argumentationsmaterial auszustatten und die Bedeutung und Auslegung der Bibel ins rechte Licht zu rücken.
Doch dient dies nicht nur der äußeren Argumentation, denn oft wissen SuS selbst nicht, wie sie sich zu den Spannungen in der Bibel selbst und zwischen Bibel und Lebensstil verhalten sollen. Somit ist es auch für die eigene Urteilsfähigkeit wichtig hier für Ent-Spannung zu sorgen.
Diese Einheit soll mithilfe der Erarbeitung der Auslegungsmethoden der Bibel und ihrer Anwendung auf das Hörbeispiel „Ein Glücksbringer, den man nach seinen Lehrern wirft” dazu beitragen, dass die SuS die Verbalinspiration der Bibel kritisch hinterfragen und die Bibel als ein Produkt menschlicher Erfahrungen mit Gott verstehen. Bei der Vorbereitung muss jedoch beachtet werden, dass unter Umständen SuS in der Klasse sind, die aus der verbalinspirierten Tradition kommen. Hier ist ein sensibler Umgang erforderlich.
Kernkompetenz: Die Bibel in ihrer Spannung zwischen Offenbarungstext und zeitgeschichtlicher Quelle beurteilen.
Jahrgang: ab Jahrgang 9
Arbeitsformen: Textarbeit, Placemat, szenisches Spiel, eMail schreiben
Hintergrundinformation:
Transkript zum Hörspiel: Ein Glücksbringer, den man nach seiner Lehrerin wirft
Einstieg
Zu Beginn erfolgt ein Brainstorming mit den SuS zum Thema „Die Bibel: Gotteswort und Menschenwort“ an. An dieser Stelle sollte der Begriff Verbalinspiration eingeführt werden.
Für die Erschließung der Auslegungsmethoden bietet sich der Artikel „Ansätze der christlichen Bibelauslegung“ von Franziska Rauh an (siehe Hintergrunginformation). Die SuS arbeiten in drei Gruppen zu je einem der folgenden Themen:
- historisch-kritische Exegese
- kanonische Bibelauslegung
- feministische, befreiungstheologische, tiefenpsychologische Exegese
Für die Arbeitsform der Placemat kann die Gruppe max. aus vier SuS bestehen.
Fertigt eine Placemat zu eurem Thema an.
Beschreibt den Ansatz der Bibelauslegung stichpunktartig in eurem Kästchen der Placemat.
Stellt dar, inwiefern diese Auslegungsart Menschen hilft, die Bibel in heutiger Zeit und im Hinblick auf das eigene Leben zu verstehen.
Sammelt eure Ergebnisse in dem Mittelfeld der Placemat.
Präsentiert eure Ergebnisse der Klasse.
Vertiefung — Hörspiel
Plenum
Fasse die Geschehnisse der Biologiestunde mit eigenen Worten zusammen.
Zeige auf, wie sich die Situation im Elterngespräch am Nachmittag entwickelt hat.
Benenne die verschiedenen Auslegungsmethoden, die hier aufeinander treffen.
Gruppenarbeit oder Einzelarbeit
Deine Tante ist die Direktorin Frau Müller. Sie hat dir eine eMail geschrieben in der sie das Ereignis mit Frau Schneider, Johanna und ihrem Vater schildert. Sie ist über den Verlauf des Gesprächs und den Streit sehr verwundert und bittet dich um eine helfende Antwort.
Schreibe eine eMail.
Auf einer Familienfeier triffst du entweder Michael Jung, den Vater Johannas, Frau Müller, die Direktorin oder Frau Schneider. Er oder sie erzählt dir von dem Elterngespräch und ist über die Entwicklung des Gesprächs verwundert. Er oder sie bittet dich, um deine Meinung zum Thema.
Sucht euch in der Gruppe (3−5 SuS) eine Person aus. Entwerft ein Rollenspiel.
Geht bei jeder Situation auf folgende Aufgaben ein:
- Erklärt, wie der Konflikt zwischen der Biologielehrerin und Johanna zustande kam.
- Beurteilt den Verlauf des Elterngesprächs und die verschiedenen Positionen.
- Entwickelt abschließend euren eigenen Standpunkt zu der Problemlage. Arbeitet sie in die von euch gewählte Aufgabe ein. (Auch in den Gruppen kann jeder seine eigene Meinung einbringen, es muss sich nicht auf eine Meinung innerhalb der Gruppe geeinigt werden.)
- Präsentiert eure Ergebnisse und gebt euch gegenseitig wertschätzendes Feedback.
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