Welchen Einfluss hat jener Raum auf ein Objekt, welchen dieses nicht einnimmt? In ästhetischer Hinsicht können wir meist intuitiv beurteilen, ob eine Vase zu nah an der Wand steht oder der Blumenstrauß zu überladen ist. Der sogenannte negative Raum bezeichnet in der Kunst jenen Raum, welcher um und im Objekt selbst frei bleibt. Dabei ist dieser nicht einfach ungenutzter Platz, sondern fokussiert auf die vorhandenen Objekte (positiver Raum), setzt sie miteinander in Beziehung und hat damit entscheidenden Einfluss auf die Gesamtkomposition. Der Kurzfilm Negative Space setzt in kunstvoller Stop-Motion-Technik den Raum zwischen einem Vater und seinem Sohn und die Vermeidung von ungenutztem Raum beim Kofferpacken miteinander in Beziehung.
Kernkompetenz: Den eigenen Glauben und die eigenen Erfahrungen wahrnehmen und zum Ausdruck bringen sowie vor dem Hintergrund christlicher und anderer religiöser Deutungen reflektieren.
Jahrgang: 5 – 12
Arbeitsformen: Filminterpretation, Standbild, Mindmap, kreatives Schreiben
Medien:
- Rezension: https://www.film-rezensionen.de/2018/04/negative-space/
- Text der Gedichtvorlage: https://wordsfortheyear.com/2014/12/19/negative-space-by-ron-koertge/
- Ausstellung — Ein Koffer für die letzte Reise: https://www.puetz-roth.de/ein-koffer-fuer-die-letzte-reise.aspx
Methodisches Vorgehen
Der Kurzfilm ermöglicht wenigstens zwei Wege der Beschäftigung, welche einzeln oder miteinander kombiniert der Lerngruppe entsprechend verfolgt werden können. Denkbar erscheint eine symboldidaktische Einheit zum Symbol Koffer, aber auch eine Übertragung des Begriffs des negativen Raums auf die Beziehungsebene. Im Folgenden werden beide Zugänge verknüpft dargestellt.
Einstieg
- Assoziationen zum Symbol Koffer: In Einzelarbeit und /oder im Plenum wird eine Mindmap zum Begriff Koffer erstellt. Durch Impulse kann hier bereits der Symbolcharakter des Koffers hervorgehoben werden (Impulse: Urlaub, Klassenfahrt, Umzug, Platz, Begrenzung, Bewegung, Aufbruch, Vorbereitung, Ordnung, Chaos…)
- Gestelltes Standbild zum negativen Raum: Die Schülerinnen und Schüler bekommen die Aufgabe in Gruppen von mindestens drei Personen eine Beziehung in einem Standbild durch den Raum zwischen den Personen zu charakterisieren. Dabei wird jeweils durch ein Gruppenmitglied eine ausgewählte Beziehung (etwa zu bzw. zwischen Eltern, Geschwistern, Freunden, Mitschülern…) dargestellt, indem die anderen Gruppenmitglieder so positioniert werden, dass der Raum zwischen ihnen Auskunft über die Beziehung gibt. Die Klasse hat die Aufgabe das Standbild in dieser Hinsicht zu deuten und auch die gestellten Schülerinnen und Schüler können aus der Innenperspektive ihre Gefühle und Gedanken äußern. Es empfiehlt sich den Vorgang und die Deutung exemplarisch zu verdeutlichen und klarzustellen, dass niemand gezwungen ist über persönliche Beziehungen zu sprechen, wenn er oder sie nicht will.
Durch eine Einführung in das Begriffspaar positiver und negativer Raum und den Austausch über das Symbol Koffer kann bereits im Einstieg gezielt auf die Deutung des Films hingearbeitet werden.
Filmarbeit
Beim Sehen des Kurzfilms sollte je nach Altersstufe und Englischkenntnissen mit Untertiteln (können bei YouTube in englischer und deutscher Sprache aktiviert werden), dem englischen Text (siehe Medien) oder einer Übersetzung gearbeitet werden.
Die folgenden Aufgaben können für die Erschließung des Films zum Einsatz kommen.
- Beschreibe Gedanken, Gefühle und Assoziationen, die dir beim ersten Sehen des Films gekommen sind.
- Gib dem Film einen anderen, aussagekräftigen Titel und begründe deine Entscheidung.
- Stell die dargestellte Entwicklung der Beziehung des Sohns zum Vater grafisch dar. (z.B. Diagramm, Soziogramm)
- Deute den Film unter Zuhilfenahme der folgenden Begriffspaare (oder der Erkenntnisse aus der Mindmap): Nähe-Distanz, Aufbruch-Stillstand, Ordnung-Chaos, Vorbereitung- Begrenzung.
Vertiefungsaufgabe zum Film
Der Kurzfilm verweist in seiner einfachen Sprache und seinen eindrucksvollen Bildern auf elementare Erfahrungen des Menschseins. Dazu gehört etwa die Erfahrung der Begrenztheit. Beim Kofferpacken wollen wir uns auf Umstände vorbereiten, die wir doch nur vermuten können und oft haben wir dabei weniger Platz zur Verfügung als wir gerne nutzen würden. Mit dem Tod des Vaters und dem ungenutzten Platz im Sarg, kommt auch die Endlichkeit der Lebenszeit als größte Begrenzung menschlicher Existenz im Film vor.
Auch die Bedürfnisse zwischenmenschlicher Beziehungen, der Einfluss des unausgefüllten Raums zwischen Menschen auf Ihre Beziehungen sowie die Weitergabe von Wissen und Haltungen von einer Generation auf die nächste kommen zur Sprache. Damit bietet die Motivik des Kurzfilms vielfältige Anknüpfungspunkte für eine vertiefende Bearbeitung. Im Folgenden finden sich Möglichkeiten, die für sich genommen oder in Kombination arrangiert werden können.
- Negativer Raum als Beziehungs-Metapher
- Wende die Begriffe negativer und positiver Raum auf die Vater-Sohn-Beziehung an. (Verweis auf den Standbild-Impuls)
- Leite aus deinen Beobachtungen allgemeine Überlegungen dazu ab, wie der Begriff des negativen Raums genutzt werden kann, um Beziehungen im Allgemeinen zu beschreiben und zu ihrem Gelingen beizutragen.
- Symbol Koffer – kreatives Schreiben
- Vervollständige den folgenden Spruch: Das Leben ist wie ein Koffer, …
- Wenn eine bestimmte Beziehung ein Koffer wäre, wie sähe er aus?
- Wenn ich mir für eine bestimmte Beziehung einen Koffer packen müsste, was wäre drin?
Diese Aufgaben können auch gut zu einer kreative Gestaltungsaufgabe in Kooperation mit dem Fach Kunst erweitert werden.
- Gedankenexperiment zur Prägung der Kinder durch Ihre Eltern
- Der Sohn beklagt am Ende den vergeudeten Raum im Sarg. Stelle begründete Vermutungen dazu an, was der Sohn dem Vater gerne mit auf die Reise gegeben hätte.
- Wie geht es weiter? Stelle Vermutungen dazu an, wie der Sohn mit seinem eigenen Kind in Beziehung treten wird, wie er den Raum zwischen Ihnen gestalten wird, welche gemeinsamen Rituale er einführen könnte und begründet deine Vermutung.
Theologische Deutung
Die Richtung der Einnahme einer christlichen Perspektive hängt nun stark davon ab, welche Gedankengänge verfolgt und welche Erkenntnisse gewonnen wurden. Wurde vordergründig der Begriff des negativen Raums zur Reflexion von Beziehungen genutzt oder wurde eher nur am Symbols Koffer weitergearbeitet. Neben sicherlich vielen anderen Möglichkeiten werden die folgenden thematischen Verknüpfungen vorgeschlagen.
- Die letzte Reise
- Projekt: Ein Koffer für die letzte Reise. Einmal Jenseits und zurück (siehe unter Medien)
- Im Kunstprojekt „Ein Koffer für die letzte Reise“ wurden Menschen gebeten sich selbst einen Koffer zu packen, mit welchem sie aus dem Leben treten würden.
- Das Buch zur Ausstellung kann antiquarisch bestellt werden.
- Die Schülerinnen und Schüler können sich mithilfe der vorherigen Erkenntnisse mit dem Projekt insgesamt auseinandersetzen und den positiven und negativen Raum der einzelnen Exponate deuten, sowie eigene Koffer gestalten.
- Die Gottesfrage
- Das Nachdenken über die Transzendenz und Immanenz Gottes kann auch über die Kategorien des negativen und positiven Raums geschehen. Welcher Raum befindet sich zwischen Mensch und Gott? Welchen Raum lässt uns Gott und wie viel Raum schaffen wir zwischen Gott und uns. Welchen Einfluss hat all dies auf die Beziehung zwischen Gott und Mensch?
- Sich auf die Reise machen
- Die Beziehung Abrahams zu seinen Kindern und zu Gott sowie sein verheißungsvoller Aufbruch ins Ungewisse (Gen 12), könnten mithilfe des Symbols Koffer und der Kategorie Raum erschlossen werden.
- Gestaltung gelingender Beziehungen
- Die vertiefte Deutung der Vater-Sohn-Beziehung im Kurzfilm könnte genutzt werden, um sich familiären oder anderen Beziehungen, wie Freundschaft und Partnerschaft aus anthropologischer Perspektive zu nähern.
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Im Gegensatz zur YouTube-Quelle hier zum legalen Erwerb und mit Bildungslizenz (da mit 05:30 kein „Werk geringen Umfangs” mehr): https://lizenzshop.filmwerk.de/shop/detail.cfm?id=2785
Lieber Herr Beisel,
vielen Dank für Ihren Hinweis. auch im Hinblick auf Ihre damalige Anfrage zu einem Artikel hin, achten wir besonders darauf, dass keine rechtlichen Unklarheiten bestehen. Soweit ich es beurteilen kann, ist das beim vorliegenden Beitrag auch nicht der Fall. Das Video „Negative Space” ist nicht heruntergeladen, sondern eingebettet. Da es von uns nicht bereitgestellt wird (Download und Upload auf unserer Seite), ist es hier nicht von Belang, welchen Umfang das Werk hat. Der aus meiner Sicht seriös erscheinende Channel, der es bereitstellt, weist im Text unten explizit darauf hin, dass die Erlaubnis des Rechteinhabers dafür vorliegt.
Ich hoffe, dass wir auch weiterhin auf Ihre wachen Augen zählen können und würde mich auch über inhaltliche Kommentare Ihrerseits sehr freuen.
Ein gesundes neues Jahr und freundliche Grüße
Tobias Neumeister