Der Film begleitet Jürgen Höller und seinen Co-Trainer Mike Dierssen bei ihren Motivationsseminaren. Die Interviewausschnitte und Kamerabeobachtungen geben Einblicke in ihre Motivationslagen und zeigen Menschen, die nach alternativen Lösungen für ihr Leben suchen. Die gebetsartigen Wiederholungen von „Ich liebe mich!”, „Ich liebe die Menschen!”, „Ich lebe in Überfluss und Fülle!” stehen in starkem Widerspruch zu „Ich ziehe Geld an wie ein Magnet!” Werden existentielle Bedürfnisse ökonomisch verwertet oder wird eine kapitalistische Geschäftsidee religiös überhöht? Eine Film, der keine klare Beurteilung zeigt, aber zu einer eigenen Positionierung auffordert.
Kernkompetenz: Den eigenen Glauben und die eigenen Erfahrungen wahrnehmen und zum Ausdruck bringen sowie vor dem Hintergrund christlicher und anderer religiöser Deutungen reflektieren.
Jahrgang: ab Jahrgang 9
Arbeitsformen: biografischer Zugang, Bild- und Filmanalyse, gruppenteilige Recherche, Mindmap
Verfügbarkeit: Video verfügbar bis 04.09.2019
Hintergrundinformationen:
Die Mediathek des Ersten -> https://www.daserste.de/information/reportage-dokumentation/dokus/sendung/der-motivationstrainer-100.html
Die Power Days von Jürgen Höller, ein Erfahrungsbericht -> https://www.digital-sales.de/europaeischer-motivationstag-2017-muenchen/
Wie Kapitalismus zur Religion wird, Spiegel Online -> http://www.spiegel.de/kultur/kino/ard-doku-der-motivationstrainer-ueber-juergen-hoeller-kapitalismus-als-religion-a-1226451.html
Die Diktatur der Optimisten, Zeit Online -> https://www.zeit.de/2001/25/200125_glueckspropheten.xml/komplettansicht
Zur Arbeit mit dem ganzen Film
Mit 75 min ist es organisatorisch möglich, den Film in einer Unterrichtseinheit zu schauen. Für eine vertiefte Auseinandersetzung bleibt dann kaum Zeit. Wer aber dennoch dieses Experiment wagen möchte, um die Gedanken und Fragen des Regisseurs mit seiner Lerngruppe zu entdecken, dem können die nachfolgenden Aufgaben einen ersten Schlüssel bieten.
- Erzählt einander von Momenten, in denen ihr „ganz unten” ward. Erzählt von euren Gedanken und Gefühlen.
- Erkläre, auf welche Weise oder mit welchen Strategien du dieses „ganz unten” überwunden hast.
- Entwickele vor diesem Hintergrund eine Definition zum Begriff „Motivationstrainer”.
- Schaut euch den Film ohne Unterrechung an. Notiere die Sätze aus dem Film, die dir gefallen und die Momente, die stören oder irritieren.
- Tauscht euch über die Szenen des Filmes aus, die euch beeindruckt oder irritiert haben.
- Vertiefe deine Wahrnehmungen durch die Auseinandersetzung mit einer ausgewähltehn Szene des Filmes.
- Kann man Jürgen Höller und seine Seminare empfehlen? Formuliere eine eigene Position und begründe sie.
Meta-Reflexionen zum Film
Der Fragenkatalog ermöglicht eine vertiefenden Auseinandersetzung mit Aspekten des Filmes. Die Antworten der Schülerinnen und Schüler müssen an ausgewählten Szenen oder Aussagen verdeutlicht werden. Ein diskursives Gespräch eröffnet Vielfaltsperspektiven und ermöglicht die Erarbeitung einer eigenen begründeten Position.
- Wird das Denken der Seminarteilnehmenden ideologisiert oder ist es möglich in Distanz zu bleiben? Wird das Leben und der berufliche Alltag in Schwarz — Weiß — Kategorien beschrieben oder werden auch Schattierungen und Nuancen verwendet?
- Wird die Gefühlswelt eingeschränkt oder erweitert oder beides?
- Wird die Handlungsfähigkeit beeinträchtigt oder erweitert oder beides?
- Werden Beziehungen zu anderen Menschen eingeschränkt oder eröffnen sich neue Optionen für Beziehungen?
- Werden bestimmte Verhaltensweisen verlangt oder verboten? Kann es dabei zu innerpsychsichen Konflikten kommen? Ist es möglich, dass durch die Trainingsangebote Höllers bereits vorhandene Konflikte gelöst werden können?
- Wird das Bewusstsein der Seminarteilnehmer manipuliert oder ergeben sich so neue Perspektiven zur Wahrnehmung der Umwelt und der eigenen Person?
- Zeigen die Seminare Jürgen Höllers Spuren von Religion?
Orientiert an Stefanie Pfister und Matthias Roser, Religiöse Sonderwege, Göttingen 2018, S. 37f.
Ausgewählte Szenen des Films
1. Nur weil die Mehrheit es sagt, muss es noch lange nicht richtig sein
- Sammelt in der Lerngruppe eure Eindrücke von Jürgen Höller (00:00:00 — 00:06:18) und erläutert, was unter einem Motivationstrainer zu verstehen ist.
- Beurteile die Sätze Höllers. Welchen stimmst du zu, welchen möchtest du widersprechen?
2. Meine Vorbilder
- In 00:07:06 — 00:07:25 spricht Jürgen Höller über seine Vorbilder. Tragt zusammen, was ihr über Nelson Mandela, Steve Jobs, Arnold Schwarzenegger, Mohammed Ali und Jesus Christus wisst.
- Recherchiert zu diesen Personen und erstellt Profile, die ihr Wirken und ihre Motivation zeigen.
- Entwickelt Theorien, warum gerade diese Männer von Jürgen Höller gewählt wurden.
- Erläutere Eigenschaften, Gaben oder Fähigkeiten von Menschen, die dich motivieren.
3. Ich bin stolz darauf, nicht normal zu sein: Die Geschäftsidee
- Gib die Positionen der Teilnehmenden mit eigenen Worten wieder (00:07:38 — 00:13:19).
- Beschreibe, wie Jürgen Höller Menschen anspricht, die anders als die meisten Teilnehmenden seine Seminare nicht buchen wollen.
- Prüfe, ob seine Geschäftsidee dem Eingangssatz „Nur weil die Mehrheit es sagt, muss es noch lange nicht richtig sein” widerspricht.
4. Ich hab mir geschworen: Euch zeig ich’s
Jeder Mensch ist von Bedürfnissen geprägt, die ihn zum Handeln bringen. Diese Bedürfnisse sind universell, sie gelten für alle Menschen, unabhängig von ihrer Kultur, ihrem Alter, ihrem Geschlecht oder ihrer Religion. Dazu gehören Nahrung und Wasser, Schlaf und Liebe, Freiheit und Anerkennung. Diese Bedürfnisliste spiegelt die Vielfalt und zeigt zugleich, was Menschen brauchen.
Die Wege, um diese Bedürfnisse zu erfüllen, können ganz unterschiedlich sein. Man nennt sie Strategien. Das Bedürfnis nach Flüssigkeit, Durst genannt, kann mit Wasser oder Cola gestillt werden. Dabei muss man sich klar machen, dass die eine Strategie das Bedürfnis anders erfüllt als die andere. Wasser stillt den Durst eben anders als Cola. Man kann versuchen, das Bedürfnis nach Anerkennung mit freundlichen Gesten, Geschenken oder Drohungen zu erfüllen. Die Bedürfniserfüllung wird sich jeweils unterscheiden.
- Erläutere Zusammenhänge und Unterschiede zwischen menschlichen Bedürfnissen und Strategien.
- In 00:18:52 — 00:19:50 spricht Jürgen Höller über eine Kindheitserinnerung, die für ihn mit Beschämung und Motivation verbunden ist. Gib die Erinnerung mit eigenen Worten wieder.
- Erläutere mögliche Unterschiede zwischen „Arzt werden” und „Millionär werden”.
- Diskutiere in der Lerngruppe, ob sich hinter dem Wunsch „Millionär werden” eine Strategie oder ein Bedürfnis oder beides verbirgt.
5. Verzeihen ist eine Eigenschaft der Starken
In der Szene 00:33:08 — 00:35:42 erzählt Co-Trainer Mike Dierssen über die Beziehung zu seinem Vater und seine erneute Kontaktaufnahme Jahre später.
Wut und Groll und Ärger sind Emotionen, die wie Ankerketten um deinen Hals hängen und dich nach unten ziehen und dein Inneres vergiften. Ich hatte immer als junger Mann Stress mit meinem Vater. Mein Vater war Kapitän und als ich ein kleiner Junge war, war er nie da. Nie. Und als er dann, ich war 13, an Land kam, da war er auf einmal da und er stellte fest, dass meine Mutter uns ganz anders erzogen hatte als er sich das vorstellte: Disziplin, Ordnung, wie Jungs zu sein haben. Und dann hatten wir Stress ohne Ende. Und meine Mutter, die ihr ganzes Leben lang praktisch in der Ehe allein war, mit uns beiden Jungs, mein Bruder und ich, die war vollkommen überfordert. Das war so schlimm, dass mein Vater uns verlassen hat und meine Mutter nachher so verzweifelt war, dass sie freiwillig aus dem Leben geschieden ist. Und mein Vater kommt wieder und ich werde das nie vergessen: Ich sitze in dem Wohnzimmer und mein Vater sagt zu mir, das erste was der sagt: Das ist alles deine Schuld. Und mein Vater hat dann, meinen Bruder und mich, ich war damals 16, mein Bruder war 12, hat sich dann wieder um uns gekümmert und ich hab nur einen Wunsch gehabt: Sobald ich kann, nie wieder Kontakt mit meinem Vater zu haben. Ich hab ihm noch einen Brief geschrieben und ich hab dann Jahre lang keinen Kontakt aufgebaut, null. Ich habe meinen Vater gehasst. Ich hab den gehasst ohne Ende. Für mich war das der Allerletzte, der alles kaputt gemacht hat. Es war der 22. Dezember, hab ich zu meiner Frau gesagt: „Ich fahre jetzt zu meinem Vater und entschuldige mich.” Sagt meine Frau: ‚Wieso fährst Du denn zu deinem Vater und willst dich entschuldigen? Der hat doch hier den Stress in die Familie.” Ich sag: „Ja, aber ich möchte das nicht mit ins neue Jahr nehmen, ich fahre jetzt dorthin.” Ich bin zu einem Vater gefahren, hab geklingelt. Er macht die Tür auf. Und er sagt: „Was willst denn du hier?” Ich sag: „Ich will mich entschuldigen bei dir.” Da sagt er: „Ja, das wird auch Zeit, komm rein.” Haben wir noch ’nen Tee getrunken. Wir haben miteinander geredet und dann bin ich nach Hause gefahren. Und was glaubst du, wie hab ich mich gefühlt? Frei. Frei. Ich hatte es mir von der Seele genommen. Aber eines musst du wissen: Verzeihen kann nur der, der mit sich im Reinen ist. Verzeihen ist eine Eigenschaft der Starken.
- Gib die Erzählung Mike Dierssens mit eigenen Worten wieder.
- Identifiziere Bedürfnisse und Strategien Mike Dierssens mithilfe der Liste.
- Vergleiche seine Geschichte mit der neutestamentlichen Erzählung von der Heimkehr des verlorenen Sohnes (Lk 15, 11 – 32).
- Erläutere die Bedeutung von „Stärke” und „Schwäche” für gelingende Beziehungen zwischen Menschen.
6. Persönlichkeitsentwicklung und Geschäfte
Der Ausschnitt bietet Einblick in die Seminarpraxis von Jürgen Höller. Der Autosuggestion kommt dabei eine große Bedeutung zu. Die Wirksamkeit zeigt sich bei den Seminarteilnehmerinnen und ‑teilnehmern sehr unterschiedlich. Im anschließenden Interviewausschnitt wird Jürgen Höller befragt, inwiefern Bildungsprozesse ökonomisiert werden dürfen (00:39:37 — 00:42:47).
Wir steigen ein mit den dreizehn goldenen Autosuggestionen, mit viel Emotion. Und jetzt einfach immer wieder vor sich hin sagen, bis die Übung fertig ist. (Die Hände auf dem Herzen).
Ich liebe mich.
Ich schaffe es.
Ich liebe die Menschen.
Ich lebe stets in Überfluss und Fülle.
Ich ziehe Geld wie ein Magnet.
Ich bin begeistert.
Es geht mir von Tag zu Tag und in jeder Hinsicht immer besser und besser und besser.(Schnitt)
Interviewer: Hast du gar keine Bedenken, dass du sozusagen aus der Persönlichkeit, der Persönlichkeitsentwicklung ein Geschäft gemacht hast?
Höller: Ein Psychiater hat auch ein Geschäft, der hat auch eine Praxis. Das heißt: Was soll das Problem daran sein, wenn man Menschen hilft erfolgreicher zu sein, ihr Unternehmen erfolgreich aufzubauen, ihre Problem zu lösen und Ziele leichter zu erreichen und wenn man daran auch partizipiert. Ich habe in meinem Leben selber 200 Seminare besucht und ich hab schätzungsweise insgesamt an die 750.000 Euro nur in mich investiert oder einzelne Euro, den ich in mich investiert habe, das war die beste Investition, die es gab. Und ich halte es da mit Benjamin Franklin, der gesagt hat: „Jede Investition und Wissen bringt die beste Rendite.”
- Recherchiere zu Verfahren und Wirksamkeit von Autosuggesion.
- Beschreibe die Seminarpraxis Jürgen Höllers.
- Erläutere die Mimik und Gestik der Teilnehmenden.
- Beurteile die Wirkmächtigkeit seiner Praxis.
- Diskutiere im Umkehrschluss den Gedanken, ob in den Seminaren Jürgen Höllers ein Geschäftsmodell zu einer Religion gemacht wird.
7. Ist das ein faires System?
In Szene 00:54:28 — 00:58:13 stoßen Jürgen Höller und seine Mitarbeiter auf ein gutes Geschätsjahr an. Dabei spricht er auch über die Motivation der Mitarbeitenden und stellt seine Idee des Gesundheitsbonus vor.
„Ich will hier Leute haben, die gern arbeiten. Bei uns ist es viel Arbeit, da gibt es viel Wechsel und viel Neues, dafür bieten wir hier eine Familie an. Und wer bei uns in der Familie drin ist und mir das Gefühl gibt, dass er gern arbeitet und dass er hier sein Bestes gibt, für den werde ich immer da sein. Gut, dass ist die eine Geschichte.
Die zweite Geschichte, die wir haben ist ein Gesundheitsbonus von 2000 Euro für jeden Angestellten, also jeden Festangestellten. Und den gibt es automatisch, es sei denn, es gibt hier ein paar Abzüge. Von den 2000 Euro, wenn einer Raucher ist: 750 Euro Abzug. Zweite Kategorie ist so Gewicht, Figur. Da haben wir gesagt, wir wollen jetzt keine Top-Modells haben. Also Ziel ist es, den BMI, also den Body — Mass — Index, im normalen Bereich zu haben. Wer das nicht schafft, kein Problem, aber 750 Euro Abzug. Also: Wer raucht und Body — Mass — Index wird nicht besser, ist ja nichts Schlimmes, hat nichts verloren, aber kriegt nur noch 500 Euro. Pro Krankheitstag, also Vollkrankheitstag, gibt es auch 100 Euro Abzug. 100 Euro Abzug für einen Krankheitstag. Also, ihr habt die Chance 2000 Euro zu verdienen oder ein bisschen weniger, ist ja egal … Das ist ja auch ein Geschenk, von uns, was wir machen. Also, theoretisch gesehen, müssten jetzt alle sagen: ‚Das ist super!’ und es ist alles erreichbar. Wir haben also wirklich gesagt: ‚Es kann nicht sein, wenn einer heute 20 kg Übergewicht hat, dass der nächstes Jahr Normalgewicht hat. Das geht ja gar nicht.’ Es ist wirklich so aufgebaut, dass es um eine Verbesserung geht und nicht darum, dass einer innerhalb eines halben Jahres sein Traumgewicht hat. Aber, wenn einer sich verbessert, muss es belohnt werden. Wenn er sich nicht verbessert, hat er keinen Nachteil, aber dann kriegt er auch keine Belohnung. Das ist ja nicht unfair, oder? Ist es ein faires System?”
- Gib die Rede Höllers mit eigenen Worten wieder.
- Arbeite sein Verständnis von „Familie” heraus und welche „Versprechen” oder „Verheißungen” mit der Rede gegeben werden.
- Beurteile sein Gesundheitssystem und prüfe, ob es sich um ein Belohnungs- oder ein Bestrafungssystem handelt.
- Diskutiert in der Lerngruppe, ob die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihr persönliches „Traumgewicht” oder die Vorstellungen der Firmenleitung umsetzen sollen.
- Beantworte die beiden letzten Entscheidungsfragen Höllers und visualisiert die verschiedenen Begründungen der Lerngruppe.
- Diskutiert, inwiefern der Gesundheitsbonus Menschen diskriminiert und ob der Bonus dem von Höller verwendeten Gedanken der „Familie” widerspricht.
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