Die Corona-Pandemie führt zu Herauforderungen und Situationen, die die medizinischen, ökonomischen und politischen Strukturen und Unterstützungssysteme an den Rand ihrer Handlungsfähigkeit bringen. Eines der zentralen Probleme ist die drohende Überlastung intensivmedizinischer Notfallaufnahmen. Situationen wie in Italien und Spanien machten deutlich, wie schnell die Infektionsdynamik an Fahrt gewinnt, wenn die Ausbreitung durch Kontaktreduktion nicht eingedämmt werden kann. Zwangsläufig kommt es dann zu einer Ressourcenknappheit, die für die Behandlung schwerer Verläufe von Covid-19 fatal ist. Eine Lösung soll die Triage bieten. Namhafte medizinische Gesellschaften haben gemeinsame Handlungsempfehlungen für den Fall herausgegeben, dass auch in deutschen Kliniken mehr Patienten eine intensivmedizinische Beatmung benötigen als Beatmungsgeräte zur Verfügung stehen.
Gleichzeitig wird deutlich, dass sich hinter den medizinischen, ökonomischen und politischen Argumenten und Entscheidungen, immer auch ethische Argumentationsmuster verbergen. Können diese identifiziert werden, sind auch die möglichen Konsequenzen und Auswirkungen leichter einzuordnen und abzuwägen.
Das Nachdenken über die Triage bietet so den religionspädagogischen Anlass, um deontologische und utilitaristische Argumentationsmuster zu entdecken, ihre Auswirkungen abzuschätzen und gegeneinander abzuwägen. Im branching Scenario wird die Aufnahmesituation auf einer Intensivpflegestation simuliert. Der Fokus liegt dabei auf den ethischen Argumentationsmustern. Das parallel zu führende Lernlogbuch eröffnet Möglichkeiten für eine vertiefte Auseinandersetzung mit den simulierten Entscheidungen.
Kernkompetenz: Ethische Entscheidungssituationen im individuellen und gesellschaftlichen Leben wahrnehmen, die christliche Grundlegung von Werten und Normen verstehen und begründet handeln können.
Jahrgang: 10 – 12
Arbeitsformen: branching Scenario, Lernlogbuch, Interviewanalyse
Hintergrundinformationen:
Was das Triage-System zu bedeuten hat
Erklärvideo: Was ist Triage?
Orientierungshilfe der Bundesärztekammer
Die Deutsche Bischofskonferenz zur Triage
Empfehlungen für die Zuteilung von Ressourcen in der Notfall- und Intensivmedizin
Das Lernlogbuch
Inhaltsverzeichnis
Phase 1: Annäherung
- Die Schülerinnen und Schüler tragen ihre Wissensstände bezüglich einer Triage zusammen (Mindmap).
- Sie benennen Vorteile und Herausforderungen eines solchen Vorgehens.
- Sie recherchieren zur Herkunft des Begriffs.
- Sie Schülerinnen und Schüler sichern wichtige Informationen und Überlegungen im persönlichen Lernlogbuch.
Phase 2: Simulation
(Mit Klick auf »Reuse« können die H5P-Elemente geladen und in anderen Lernplattformen weiterverarbeitet werden)
- Die Schülerinnen gehen allein durch die Simulationen. Sie halten ihre Überlegungen schriftlich fest.
- In den Entscheidungssituationen tauschen sie sich aus und halten die wichtigsten Überlegungen im Logbuch fest.
- Am Ende des Szenarios prüfen sie ihre Eingangsentscheidungen und die dazugehörigen Überlegungen.
Phase 3: Ein illustrierendes Beispiel
Charité ist eine deutsche Fernsehserie. Handlungsort ist die namensgebende Berliner Charité, eines der bekanntesten Krankenhäuser der Welt. Die dritte Staffel spielt im geteilten Berlin der 60er Jahre. In Folge 5 kommt es infolge von Versorgungsengpässen zu einer Notsituation. Hausmeister Fritz hat sich bei der Arbeit am Finger verletzt. Eine Blutvergiftung bedroht ihn. Er braucht dringend Penicillin. Parallel wird der Landwirt Robert Richter eingeliefert. Infolge einer Fehldiagnose gerät auch er in einen septischen Schock. Aufgrund von Lieferschwierigkeiten ist nur noch eine Ration des lebensrettenden Penicillins verfügbar. Beide Patienten verlieren das Bewusstsein. Jetzt müssen die Ärzte entscheiden.
- Erläutere die Herausforderungen, vor denen das Ärzte- und Pflegeteam steht.
- Beschreibe den individuellen Umgang der Protoganisten mit dem Dilemma.
- Identifiziere die Triage-Regeln, die durch Dr. Ella Wendt zur Anwendung kommen.
Phase 4: Biblisches Gedankenexperiment
- Die Lerngruppe erschließt sich die Beispielerzählung vom Barmherzigen Samariter (Lk 10,25 – 37).
- Sie überträgt die ethischen Empfehlungen der medizinischen Fachgesellschaften auf die Hilfesituation des Samaritaners. Darf er retten oder nicht? Gemeinsamkeiten und Unterschiede werden herausgearbeitet.
- Sie diskutieren umgekehrt die Bedeutung des Doppelgebotes für die ethischen Empfehlungen der Triage.
Phase 5: Vertiefendes Interview
(Mit Klick auf »Reuse« können die H5P-Elemente geladen und in anderen Lernplattformen weiterverarbeitet werden)
- In Kleingruppen nehmen sie ausgewählte Interviewszenen zur Kenntnis.
- Sie tauschen sich über die Plausibilität der Argumentationslienien aus.
- Essentielle Wahrnehmungen und Überlegungen werden in einem übergreifenden Dokument festgehalten. Die Ergebnisse stehen dann der gesamten Lerngruppe zur Verfügung.
- Über Terror — 1. Januar 2025
- In der Schule über Terror sprechen — 21. Dezember 2024
- Better Than Human — Sprechen mit Künstlicher Intelligenz — 2. Januar 2024
Ich verstehe Aufgabe 4.2 nicht. Der Samariter ist doch gar nicht in einer Triage Situation. Wie sollen die SuS die Empfehlungen übertragen?
Hallo Seb, ich stimme zu. Es ist keine einfache Übertragung möglich. Allerdings könnte man sich fragen, ob der „fiktive” Samaritaner sich nicht auch in einer bedrohlichen Notsituation befindet: Auf unübersichtlichen Weg, durch die Wüste, gefährdert durch Kriminelle. Auch er hat vielfältige Handlungsoptionen. Andere Personen, die vor dem gleichen Dilemma stehen, entscheiden anders, aus guten Gründen.
Er könnte schnell vorbeigehen, er könnte ihn lediglich verbinden und mit Proviant versorgen. Niemand zwingt ihn, sein Tier für den Transport zur Verfügung zu stellen oder am Ende gar die längerfristige Pflege zun zahlen.
Noch einmal: Es ist m.E. keine echte Triage-Situation, aber ein Dilemma. Der Text schweigt zu den Motiven des Samariters und zu seinen Lebensregeln. Vielleicht müsste man deshalb einen Blick auf den theologischen Hintergrund der Samaritaner werfen.
Liebe Grüße
Ich halte den Versuch hier eine Übertragung vorzunehmen für zu konstruiert. Die biblische Geschichte enthält nicht nur „keine echte Triage-Situation”, sondern gar keine. Man müsste hier mühsam Dinge hinzuspekulieren um wenigstens ein allgemeines Dilemma zu schaffen. Die Schüler:innen werden das m. E. als aufgesetztes „Religionsunterrichtsmanöver” ablehnen. So nach dem Motto: „Eigentlich ist auf dem Bild ein Eichhörnchen zu sehen, aber wie ich den Laden hier kenne ist das bestimmt Jesus.” Mit dem Versuch hier zwanghaft einen Bibeltext einzubinden schaffe ich nur einen Rezeptionswiderstand.
In Gesprächen mit einem Arzt und Pflegefachkräften ist mir klar geworden, dass in ihrem beruflichen Alltag permanet ethisch entschieden wird. Geht ja auch gar nicht anders. Ich als Patient bekomme das gar nicht mit, aber im Hintergrund laufen immer ethische Herausforderungen und damit auch eine mehr oder weniger reflektierte Auseinandersetzung mit dem eigenen Menschenbild. Ich vermute mal, dass das in vielen anderen Berufsgruppen auch so ist, nur muss man für diese Art der beruflichen Herausforderung sensibel werden.
Ich gestehe zu, dass das mit einer expliziten Notsituation wie in unseren Tagen nicht platt verglichen werden darf. Trotzdem macht es aber deutlich, dass berufliche Bildung ohne Werteorientierung (Religion-Ethik) nicht auskommt. Mir hilft dabei diese jüdische Geschichte.