Elie Wiesel — Nie werde ich diese Nacht vergessen …

Die Nacht von Elie Wie­sel hat mich wegen eines Aspktes außer­or­dent­lich gefes­selt. Das Kind, das uns hier sei­ne Geschich­te erzählt, ist ein Erwähl­ter Got­tes. Seit dem Erwa­chen sei­nes Bewusst­seins leb­te der Kna­be … dem Ewi­gen ver­schwo­ren, nur für Gott. Haben wir jemals an die­se Fol­ge eines weni­ger sicht­ba­ren, weni­ger auf­fal­len­den Schre­ckens als jedes ande­ren Ent­set­zens gedacht — jeden­falls an das Schlimms­te von allen für uns, die wir den Glau­ben besit­zen: an den Tod Got­tes in die­ser Kinderseele …
Fran­cois Mauriac

Aus dem Vor­wort zur fran­zö­si­schen Aus­ga­be „La Nuit”, in: Elie Wie­sel, Die Nacht, Frei­burg, 3. Auf­la­ge 1996, S. 13f.

Die Nacht ist ein auto­bio­gra­phi­sches Buch Elie Wie­sels. Er schreibt über die Depor­ta­ti­on nach Ausch­witz, die Ermor­dung sei­ner Fami­lie und das Über­le­ben zwi­schen 1944 und 1945. Am 11. April 1945 über­neh­men die Inhaf­tier­ten des KZ Buch­wald die Lei­tung des Lagers. Elie­ser Wie­sel gelangt in Frei­heit. Er ver­lässt Deutsch­land. „Die Nacht” ver­fass­te er ursprüng­lich in jid­di­scher Spra­che. 1958 erschien es auf Anre­gung von Fran­cois Mau­riac in Fran­zö­sisch unter dem Titel „La Nuit”.

Kern­kom­pe­tenz: Den eige­nen Glau­ben und die eige­nen Erfah­run­gen wahr­neh­men und zum Aus­druck brin­gen sowie vor dem Hin­ter­grund christ­li­cher und ande­rer reli­giö­ser Deu­tun­gen reflektieren.

Jahr­gang: ab Jahr­gang 10, Kom­pe­tenz­schwer­punkt Theologie

Hin­ter­grund­in­form­tio­nen:

Elie Wie­sel, Die Nacht, Erin­ne­run­gen und Zeug­nis, Die Nacht, Her­der Spek­trum, Ver­lag Her­der, Frei­burg im Breis­gau, 3. Auf­la­ge 1996

Ver­stummt. Zum Tod von Elie Wie­sel, von Flo­ri­an Gath­mann, 2016

Ein Gast­bei­trag von Susan­ne Ristau, Wernigerode

Meine Annäherung

Nach mei­nen Erfah­run­gen sind Jugend­li­che sehr inter­es­siert an der Theo­di­zee – Fra­ge. Das trifft beson­ders dann zu, wenn im Unter­richt ihre eige­nen Über­le­gun­gen und Posi­tio­nen auf Impul­se unter­schied­li­cher wis­sen­schaft­li­cher Per­spek­ti­ven tref­fen. Per­sön­li­che Berü­hung kann genau­so zur Spra­che kom­men wie gro­ße Distanz. Ich such­te nach einem Weg, bei­des zu ermög­li­chen. Zugleich soll­ten die Grau­sam­keit und Tra­gik der Scho­ah deut­lich wer­den. Vor Jah­ren ist mir Elie Wie­sels „Nacht“ emp­foh­len wor­den. Sei­ne Erin­ne­run­gen spre­chen mich sehr an und berüh­ren. Sie neh­men dem Gedan­ken einer kol­lek­ti­ven Schuld die Macht, der auch nach über 75 Jah­ren stets gehört wer­den kann.

Im Fol­gen­den gebe ich eine Emp­feh­lung für die Vor­stel­lung die­ses Buches. Seit über 15 Jah­ren pla­ne ich die Lesung im Kurs­the­ma Theo­lo­gie in den Unter­richt der Ober­stu­fe ein. Immer wie­der erzäh­len ehe­ma­li­ge Schü­le­rin­nen und Schü­ler davon, wie bewe­gend die­se Lesung für sie war. Eine Mischung aus (his­to­ri­scher) Distanz und emo­tio­na­ler Berüh­rung wird dann deutlich.

Hinführung

Im Rah­men des Kurs­the­mas ist es emp­feh­lens­wert, jüdi­sche Aus­sa­gen zur „Theo­di­zee nach Ausch­witz“ vor der Buch­le­sung oder ggf. als Nach­be­spre­chung zu beden­ken und einen kur­zen Über­blick zum Leben des Ver­fas­sers zu geben. Gehol­fen hat mir dabei die­ser lesens­wer­te Arti­kel aus dem Spie­gel.

In einer Vari­an­te hat sich gezeigt, dass es hilf­reich sein kann, wenn zuvor nur weni­ge Infor­ma­tio­nen zu Kind­heit und Jugend prä­sen­tiert wer­den. Wird eine Dar­stel­lung und Wür­di­gung sei­ner Lebens­leis­tung in Kom­bi­na­ti­on mit wich­ti­gen bio­gra­fi­schen Momen­ten im Anschluss an die Lesung vor­ge­tra­gen, kann die bedrü­cken­de Stim­mung des Buches etwas auf­ge­fan­gen und ver­sach­licht werden.

Für den wei­te­ren Ver­lauf des Schul­all­ta­ges ist unbe­dingt eine Ent­span­nungs­pha­se not­wen­dig. Auf eine aus­führ­li­che Nach­be­spre­chung bzw. eine „So füh­le ich mich jetzt” – Run­de ver­zich­te ich bewusst. In Part­ner- oder Klein­grup­pen­ge­sprä­chen, mit­hil­fe von Bild­be­trach­tun­gen u.ä. fin­det sich wenn not­we­nig eine Mög­lich­keit des Gedankenaustausches.

Oft erle­be ich, dass Jugend­li­che sehr berührt sind, aber dar­über inner­halb der Grup­pe nicht gleich im Anschluss reden möch­ten. Eine Nach­be­spre­chung pla­ne ich des­halb erst in einer Fol­ge­stun­de ein.

Am Ende der Vor­be­rei­tung lese ich einen klei­nen Aus­schnitt aus dem Buch, Sei­te 56:

Nie wer­de ich die­se Nacht ver­ges­sen, die ers­te Nacht, die aus mei­nem Leben eine sie­ben­mal ver­rie­gel­te lan­ge Nacht gemacht hat.

Nie wer­de ich den Rauch vergessen.

Nie wer­de ich die klei­nen Gesich­ter der Kin­der ver­ges­sen, deren Kör­per vor mei­nen Augen als Spi­ra­len zum blau­en Him­mel aufsteigen.

Nie wer­de ich die Flam­men ver­ges­sen, die mei­nen Glau­ben für immer verzehrten.

Nie wer­de ich das nächt­li­che Schwei­gen ver­ges­sen, das mich in alle Ewig­keit um die Lust am Leben gebracht hat.

Nie wer­de ich die Augen­bli­cke ver­ges­sen, die mei­nen Gott und mei­ne See­le mor­de­ten, die mei­ne Träu­me, die das Ant­litz der Wüs­te annahmen.

Nie wer­de ich das ver­ges­sen, und wenn ich dazu ver­ur­teilt wäre, so lan­ge wie Gott zu leben. Nie.“

Didak­ti­scher Hin­weis: Ant­wor­ten des Ver­fas­sers zur Fra­ge nach der Recht­fer­ti­gung Got­tes kön­nen mit Hil­fe die­ses Zita­tes gut bespro­chen und Inter­es­se geweckt werden.

Äußerer Rahmen, Methode der Buchlesung

Dau­er: ca. 80 – 90 min

Es ist mög­lich, die Buch­le­sung sowohl in einer Dop­pel­stun­de in der Schu­le als auch außer­halb der des Unter­rich­tes, z.B. nach­mit­tags oder abends in einem kirch­li­chen Gemein­de­raum durch­zu­füh­ren. Zur Auf­tei­lung auf meh­re­re Wochen kann ich kei­ne Emp­feh­lung geben.

Die Sitz­ord­nung bzw. Lese­ord­nung, z.B. Stuhl­kreis, bespre­che ich mit den Jugend­li­chen vorab.

Die Buch­vor­stel­lung erfolgt im Wech­sel zwi­schen Nach­er­zäh­lung und Lesung (Text­stel­len fett). Dabei soll­te jedes Kurs­mit­glied ein­be­zo­gen wer­den (ein zwei­tes Buch­ex­em­plar mit mar­kier­ten Text­stel­len wei­ter­rei­chen). Im Fol­gen­den kenn­zeich­ne ich mei­ne Vor­schlä­ge der zu lesen­den Tex­te für Jugend­li­che mit einem Punkt oder ecki­gen Klam­mern. Es sind die Aus­schnit­te 1 – 15, wel­che auch gekürzt bzw. mit ande­ren Aus­schnit­ten für grö­ße­re Kur­se ergänzt wer­den können.

Die ande­ren Text­stel­len lese ich selbst. Dabei muss unbe­dingt noch aus­ge­wählt bzw. gekürzt nach­er­zählt wer­den, weil sonst der zeit­li­che Rah­men die Auf­merk­sam­keits­fä­hig­keit der Zuhö­ren­den über­for­dern könnte.

An eini­gen weni­gen Stel­len ist es mög­lich, eige­ne Gedan­ken zu erfra­gen bzw. selbst ein­zu­fü­gen. Das soll­te aber nur sel­ten genutzt werden.

Impul­se für die­se Exkur­se kenn­zeich­ne ich kur­siv.

Verlauf

Nach einer kur­zen wie­der­ho­len­den Ein­lei­tung begin­ne ich mit einer Vor­stel­lung der Situation:

Abschnitt 1

Sighet ist eine klei­ne Stadt in Sie­ben­bür­gen, im heu­ti­gen Rumä­ni­en, an der Gren­ze zur Ukrai­ne. Nach dem 1. Welt­krieg wur­de das ursprüng­lich unga­ri­sche Gebiet rumä­nisch, 1940 dann wie­der Bestand­teil Ungarns. Die Bewoh­ner spre­chen häu­fig Deutsch. Über 20.000 Juden leben in Sie­ben­bür­gen (heu­te ca. 100!). Sie alle wer­den bis 1944 nach Ausch­witz deportiert.

Wir rei­sen in das Jahr 1942. Elie­ser wird Elie genannt. Sein Vater besitzt ein klei­nes Lebens­mit­tel­ge­schäft und ist ein sehr geach­te­tes Mit­glied der jüdi­schen Gemein­de. Er hat wenig Zeit für sei­nen 12 jäh­ri­gen Sohn. Die Fami­lie ist eher arm. Die Mut­ter hilft im Geschäft und küm­mert sich um die Kin­der. Elie hat zwei älte­re und eine jün­ge­re Schwes­ter, Tsipora.

Der Jun­ge ist sehr inter­es­siert an der Kab­ba­la, den Über­lie­fe­run­gen jüdi­scher Mys­tik und Phi­lo­so­phie. Gott han­delt und ist ver­bor­gen, er ist „Ver­bor­gen­heit aller Ver­bor­ge­nen”. Durch das Gebet kann die Ankunft des Mes­si­as beschleu­nigt werden.

Da der Vater ihn zu jung für sol­che The­men hält, wen­det sich Elie mit sei­nen Fra­gen an den Küs­ter Mosche. Die­ser wird als ers­te Per­son im Buch genau­er vorgestellt.

Sei­te 17: „Sie nann­ten ihn den Küs­ter-Mosche … bis die nach der Kab­ba­la ihre Erlö­sung in der des Men­schen erwartet.”

Didak­ti­scher Impuls: Die wich­tigs­te Bot­schaft Mosches ist, dass das Fra­gen eine bedeu­ten­de Kraft hat, die vor­wärts drängt.

Sei­te 19: War­um betest du, Mosche? frag­te ich ihn. „Ich bete zu Gott, der in mir ist, dass er mir die Kraft gibt, ihm wah­re Fra­gen zu stellen.“

Didak­ti­scher Impuls: Über die Bedeu­tung des Fra­gens für den Lern­pro­zess nach­den­ken. Was sind „wah­re Fragen“?

Küs­ter Mosche ist ein soge­nann­ter „aus­län­di­scher“ Jude. Er wird daher 1942 von den unga­ri­schen Sol­da­ten, den Ver­bün­de­ten Deutsch­lands, aus Sighet abge­führt. Die Gemein­de nimmt das gleich­gül­tig hin.

Sei­te 20: „Was wol­len sie? Es ist Krieg…“

Mosche kehrt zurück und gibt einen Bericht ab, der zu grau­sam ist, um ihn glau­ben zu kön­nen. Elie hört ihm zu.

Sei­te 21 — 22: „Er erzähl­te mir sei­ne Geschich­te … Und jetzt hört nie­mand auf mich …”

War­um glau­ben die Men­schen ihm nicht? Par­al­le­len zur heu­ti­gen Zeit? Unbe­que­me Wahrheiten?

Das Früh­jahr 1944 ist ange­bro­chen. Die rus­si­sche Front kommt hör­bar näher. Im „nor­ma­le Leben“ gibt es drei ein­schnei­den­de Vorfälle:

  1. Der Vater lehnt es ab, mit der Fami­lie nach Paläs­ti­na aus­zu­wan­dern, obwohl er die Mög­lich­keit dazu hat.
  2. Die unga­ri­schen Faschis­ten ergrei­fen die Macht in Buda­pest, in Sighet bleibt alles ruhig.
  3. Deut­sche Trup­pen betre­ten unga­ri­sches Hoheits­ge­biet, die Regie­rung stimmt zu.

Die kur­ze Unru­he legt sich bald, die Bewoh­ner keh­ren zum All­tag zurück. Drei Tage spä­ter rol­len deut­sche Pan­zer durch den Ort. Die Deut­schen wer­den so beschrieben:

Sei­te 25 — 26: „Wir hat­ten Angst … und die Juden von Sighet lächel­ten noch immer.“

Pessach steht bevor, ein fröh­li­ches Fest. Man ent­schei­det sich dafür, es lie­ber nicht auf­fäl­lig zu bege­hen, will die Deut­schen nicht ver­är­gern. Fol­gen­de Aktio­nen der Besat­zer beschrän­ken den All­tag: Jüdi­sche Ober­häup­ter wer­den fest­ge­nom­men, Wert­sa­chen ein­ge­zo­gen, das Ver­las­sen des Hau­ses ver­bo­ten. Das Tra­gen des gel­ben Sterns ist Pflicht.

Abschnitt 2

Sei­te 27: „Hono­ra­tio­ren der Gemein­de such­ten mei­nen Vater auf… – Dann kam das Ghetto.”

Das ers­te Ghet­to befin­det sich im jüdi­schen Vier­tel, es wird mit Sta­chel­draht umzäunt. Die Bewoh­ner füh­len sich dadurch geschützt. Eli sag­te dar­über später:

Sei­te 29: „Somit herrsch­te weder der Deut­sche noch der Jude im Ghet­to, son­dern die Illusion.“

Die Fami­lie wird mehr­fach von wohl­ge­son­ne­nen nicht­jü­di­schen Men­schen gewarnt, auch von Poli­zis­ten. Ein Freund kommt heim­lich zu Wie­sels, er wird gar nicht angehört.

Es folgt die Depor­ta­ti­on. Der ers­te Trans­port muss auf der Stra­ße lan­ge war­ten, ste­hend, ohne Was­ser. Eini­ge Men­schen emp­fin­den sicht­bar Freu­de beim Abmarsch. Beim zwei­ten Trans­port ist Elie mit sei­ner Fami­lie dabei.

Sei­te 38 — 39: „Ich betrach­te­te unser Haus, … „mein Gott, König der Welt, erbar­me dich unser…“

Das zwei­te Ghet­to. Gera­de erst wur­de es von ande­ren ver­las­sen. Gro­ße Hoff­nung haben vie­le vor dem Wei­ter­trans­port, die Front rückt näher. Ein ehe­ma­li­ges Dienst­mäd­chen, Nicht­jü­din, will die Fami­lie in ihrem Dorf ver­ste­cken, der Vater lehnt es ab. Nur die drei grö­ße­ren Kin­der dürf­ten mit­ge­hen, die­se wol­len aber nicht. 

Ist sich der Vater sei­ner Ver­ant­wor­tung bewusst? Muss man nicht 1944 gewarnt sein?

Elie klagt sei­nen Vater nie an, auch wegen ande­rer ver­häng­nis­vol­ler Ent­schei­dun­gen nicht.

Das Leben im zwei­ten Ghetto:

Sei­te 41: „Im Mor­gen­grau­en … noch unbe­kann­ten Stra­fen Verurteilte.“

Der Wei­ter­trans­port in ein Sam­mel­la­ger führt in eine ent­weih­te Synagoge.

Abschnitt 3

Von dort aus wer­den alle in einen Zug aus Vieh­wa­gen geführt, je 80 Per­so­nen, ver­pflegt mit etwas Brot und ein paar Kübeln Wasser.

Sei­te 43 — 44: „Es war nicht dar­an zu den­ken … Die Welt war ein her­me­tisch ver­rie­gel­ter Viehwagen.“

Abschnitt 4

Frau Schäch­ter, eine 50jährige Frau mit ihrem 10jährigem Sohn, wur­de von ihrem Mann und den ande­ren Söh­nen getrennt und war ver­zwei­felt. Sie hat Visio­nen vom Feu­er. Wirk­lich­keit oder spä­te­re Interpretation?

Sie schreit und wird von allen Generv­ten erst behut­sam, spä­ter mit Gewalt zur Ruhe gebracht.

Sei­te 46 — 47: „Schaut das Feu­er! … sah sie uns nicht mehr.“

Abschnitt 5

Bei der Ankunft in Ausch­witz wer­den Ver­spre­chun­gen gemacht. Man soll in Fabri­ken arbei­ten, Fami­li­en dür­fen zusam­men blei­ben, Kran­ke wer­den behan­delt, auch Frau Schäch­ter. Der „Besitz“ wird nicht ein­ge­zo­gen. Das sorgt dafür, dass alle gedul­dig im Wagen war­ten, bis zur Nacht. Dann folgt eine kur­ze Wei­ter­fahrt nach Birkenau.

Sei­te 49: „Durch die Fens­ter sah man … – Wir waren da. In Birkenau.”

Abschnitt 6

Alles muss­te im Wagen gelas­sen wer­den, die letz­te „Hoff­nung“ zer­platz­te, die Illu­si­on wur­de zer­stört. Sofort erfolg­te die Tren­nung der Fami­li­en. Frau­en und Kin­der sowie Alte bil­de­ten eine Grup­pe. Sie kamen sofort in die Gas­kam­mer bzw. wur­den erschos­sen. Ein Häft­ling sprach Elie, damals 12 Jah­re und sei­nen Vater, 50, an und gab den Rat, das wah­re Alter nicht anzu­ge­ben. Sie befolg­ten ihn. Eine ande­re Begegnung:

Sei­te 51 — 52: „Ein ande­rer erschien flu­chend … Die Wel­le der Empö­rung verebbte.“

War­um raten die Ältes­ten immer wie­der, die Ruhe zu bewah­ren? Auch spä­ter klagt Elie sie nie an.

Abschnitt 7

Dr. Men­ge­le, immer wie­der Herr über Leben und Tod, ent­schei­det über den wei­te­ren Weg. Ist es eine „gute Rich­tung“? Nach der Selek­ti­on füh­ren bei­de Wege in Rich­tung Schorn­stein. Elie sieht Last­wa­gen vol­ler toter Säug­lin­ge, die in Grä­ben gekippt und drau­ßen ver­brannt wer­den. Er hört Gebe­te, auch das Toten­ge­bet Kid­dusch und begehrt inner­lich dage­gen auf.

Sei­te 55 — 56: „Jis­ga­dal wejis­ka­desch schme raba … Erin­nerst du dich an Frau Schäch­ter im Zug? frag­te er.“

Kur­ze Pau­se – Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mer nach Befin­den fra­gen, ggf. Klärungen

Wei­ter ohne Über­lei­tung – der Text ist bekannt aus der Ein­füh­rungs­stun­de, lang­sam lesen mit kur­zen Pausen

Sei­te 56: „Nie wer­de ich die­se Nacht ver­ges­sen … so lan­ge wie Gott zu leben. Nie.“

Die ers­ten Tage im Lager, Elie Wie­sel wird sie nie ver­ges­sen. Es gibt Prü­gel, alle wer­den in enge Bara­cken gepfercht, die Klei­der müs­sen abge­ge­ben, die Haa­re gescho­ren wer­den. Kräf­ti­ge Män­ner wählt man aus, der Vater rät, bes­ser nicht auf­zu­fal­len. Das ist ein guter Rat.

Sei­te 59 — 60: „Gegen fünf Uhr mor­gens … Es muss ein Traum sein.“

Abschnitt 8

Die Anspra­che eines SS-Offi­ziers bringt Gewiss­heit des Todes.

Sei­te 61 ‑62: „Plötz­li­ches Schwei­gen … Zigeu­ner­häft­lings (Aus heu­ti­ger Sicht dis­kri­mi­nie­ren­de Bezeich­nung, vgl. Anti­zi­ga­nis­mus, A.d.R.) set­zen durften.“

Abschnitt 9

Der Vater hat Magen­pro­ble­me, ein „Zigeu­ner” (Aus heu­ti­ger Sicht dis­kri­mi­nie­ren­de Bezeich­nung, vgl. Anti­zi­ga­nis­mus, A.d.R.), selbst Häft­ling, schlägt ihn deshalb.

Sei­te 63: „Alles raus­tre­ten!… das nicht lebens­ge­fähr­lich war?“

Abschnitt 10

Elie und sein Vater wer­den ins Bara­cken­la­ger Ausch­witz ver­legt. Es scheint dort „bes­ser“ zu sein. Wie­der duschen – das ist immer Pflicht. Ein Pole ist verantwortlich.

Sei­te 65: „Kame­ra­den, ihr befin­det euch … Die ers­ten mensch­li­chen Worte.“

Abschnitt 11

Ein Ver­wand­ter, der bereits 1942 depor­tiert wor­den war, sucht sie auf. Er will wis­sen, was mit sei­ner Fami­lie gesche­hen ist. Wie­sels ken­nen sie kaum. Elie will ihm eine Freu­de machen und erfin­det eine Geschich­te. Es gehe allen gut! Der Ver­wand­te bringt aus Ver­bun­den­heit zusätz­li­che Nah­rung. Nach der Ankunft eines neu­en Trans­por­tes erfährt er die Wahr­heit und wird nicht wie­der gese­hen. Abends im Lager:

Sei­te 70 — 71: „Abends ver­such­ten wir auf unse­ren Prit­schen … Ob ande­re dar­an glaubten?“

Abschnitt 12

Es folgt eine erneu­te Ver­le­gung, dies­mal ins Lager Buna, wie­der duschen … Es soll ein gutes Lager sein. Ver­mut­lich wur­de es gera­de wegen einer Epi­de­mie ver­las­sen. Die Grup­pe kommt in Qua­ran­tä­ne. Der Lager­chef ist homo­se­xu­ell. „Sein Jun­ge” wählt für die Arbeits­kom­man­dos aus. Für „gute“ Arbeit for­dert er die Stie­fel von Elie. Der stellt sich stur. Wenig spä­ter ver­liert sie trotzdem.

Alle müs­sen zu einer „Unter­su­chung“ zum Zahn­arzt. Er will die Gold­zäh­ne und ver­spricht dafür einen Lohn. Elie schiebt Krank­hei­ten vor und bekommt Auf­schub. Die Zahn­arzt­pra­xis wird geschlos­sen, der Arzt wegen Schmug­gel­han­dels gehängt. Spä­ter wer­den Elie doch die Zäh­ne gezo­gen, dafür muss er auch noch bezahlen.

Die Arbeit in Buna beginnt. Sie zäh­len Elek­tro­tei­le. Musi­ker spie­len am Tor zum Antre­ten. Es sind alles Juden. Der jun­ge begab­te Gei­ger Juliek wür­de „spä­ter“ am liebs­ten ein­mal Beet­ho­ven spie­len. Grund­los wird Elie vom Auf­se­her Idek geschla­gen. Eine jun­ge Fran­zö­sin trös­tet ihn.

Sei­te 79: „Wei­ne nicht. Bewahr dir dei­nen Zorn und dei­nen Hass für einen ande­ren Tag, für spä­ter auf.“

Nach dem Krieg trifft er sie in Paris und erfährt, dass auch sie Jüdin ist.

Elie kämpft oft dar­um, dass sein Vater bei ihm arbei­ten kann, um ihm das Über­le­ben zu erleich­tern. Das gelingt häu­fig. Er emp­fin­det wenig Mit­ge­fühl, als sein Vater geschla­gen wird. Er ist eher auf ihn wütend. Er kann nur noch sehen, dass sein Vater den Auf­se­her Idek reiz­te und und sich nicht um ihn sorgte.

Ein­mal wer­den alle sonn­tags ins Werk geschickt, weil Idek dort mit einer Frau schla­fen will. Elie beob­ach­tet das zufäl­lig, wird ent­deckt und dafür halb tot geschlagen.

An einem ande­ren Sonn­tag ist Flie­ger­alarm im Lager, die Wach­mann­schaf­ten sind in Deckung, es ist kurz vor dem Essen.

Sei­te 87: „Der Schre­cken war grö­ßer als der Hun­ger… , dann rühr­te er sich nicht mehr.“

Abschnitt 13

Wie­der Antre­ten zum Appell, ein „Dieb“ wird ver­ur­teilt und gehängt. Alle schau­en zu.

Sei­te 90: „‚Wird’s bald? Ich habe Hun­ger…’ tuschel­te Juliek.”

Kaum zeigt man inne­re Anteil­nah­me. Es gibt eine Ausnahme.

Den fol­gen­den Abschnitt unbe­dingt selbst lesen, langsam.

Sei­te 91 — 94: „Ich habe in der Fol­ge meh­re­ren Erhän­gun­gen bei­gewohnt … An die­sem Abend schmeck­te die Sup­pe nach Leichnam.“

Gott hängt am Gal­gen, was ist das für eine Vorstellung!

Das jüdi­sche Jahr geht sei­nem Ende ent­ge­gen. Am Vor­abend von „Rosch ha-Sch­a­na”, dem jüdi­schen Neu­jahrs­fest, über­le­gen die Geist­li­chen, wie das Fest trotz des Grau­ens in Wür­de gefei­ert wer­den kann. Dazu gehört auch das Fas­ten zu „Jom Kip­pur“, dem Tag der Ver­söh­nung und Ver­ge­bung. Die Dis­kus­si­on dar­um scheint absurd inmit­ten des töd­li­chen Hun­gerns. Elie fas­tet nicht.

Wie­der fin­det eine der berüch­tig­ten „Aus­le­se“ – Aktio­nen statt.

Sei­te 100 — 101: „‚Ach­tung!’ Sogleich trat Stil­le ein. … S. 101 Man hat­te mich nicht notiert.”

Abschnitt 14

Der Vater wird schein­bar ver­schont, soll aber eini­ge Tage spä­ter doch „aus­sor­tiert“ wer­den. Lie­be­voll ver­ab­schie­det er sich von sei­nem Sohn und schenkt ihm den ein­zi­gen Besitz: einen Löf­fel und ein Mes­ser. Nach angst­vol­len Stun­den ent­kommt der Vater wie­der ein­mal der Selek­ti­on. Er kann bleiben …

Ande­re ster­ben, auch Aki­ba Dru­mer, ein geach­te­ter Geistlicher.

Sei­te 107: „Es ist aus. Gott ist nicht mehr mit uns. … sagt Kad­disch für mich.

Nach drei Tagen ach­te­te nie­mand mehr auf den rau­chen­den Schorn­stein. Sie ver­ga­ßen, Kad­disch zu sagen.

Abschnitt 15

Elie ver­letz­te sich am Fuß und muss zur Behand­lung ins Laza­rett. Gleich­zei­tig beginnt eine gro­ße Ver­le­gungs­ak­ti­on. Die Front rückt dicht her­an. Er kann im Lager blei­ben, ver­zich­tet aus Angst aber dar­auf und geht mit. Absur­di­tät die­ses Han­delns: Das Lager wur­de weni­ge Tage dar­auf befreit.

Ein tage­lan­ger Todes­marsch beginnt. Eine von vie­len ähn­li­chen grau­sa­me Szenen:

Sei­te 118 — 119: „Mecha­nisch setz­te ich einen Schritt vor den ande­ren … Ich war sein ein­zi­ger Halt.“

Rast wird in Schup­pen gemacht, alle fal­len über­ein­an­der. Ein Gedan­ke beschäf­tigt die Gefan­ge­nen: Nur nicht ein­schla­fen. Das Suchen eines Schlaf­plat­zes bezeich­net Elie wie das Stol­pern über einen Fried­hof. Man däm­mert, schläft, bewacht ein­an­der im Wech­sel. Elie denkt dar­über nach, was wohl geschieht, wenn nie­mand mehr bewacht.

Dann Wei­ter­marsch, gro­ße Käl­te, Schnee. Das Ziel ist Glei­witz. Sie wer­den wie­der in Bara­cken ver­teilt, alles ist völ­lig über­füllt. Und dann eine uner­war­te­te Begegnung:

Unbe­dingt selbst lesen, sehr emo­tio­nal bewe­gend, Zeit las­sen, ggf. das Stück – Kon­zert für Vio­li­ne und Orches­ter D‑Dur op. 61 von Lud­wig van Beet­ho­ven, 3. Satz: Ron­do — kurz anspie­len, star­ker Kon­trast zur Situation

Sei­te 127 — 130: „Ihr tre­tet mich tot … Erbar­men! … eine klei­ne, wun­der­li­che, erschüt­tern­de Leiche.“

Drei Tage blie­ben sie in Glei­witz, ohne Essen, ohne Trin­ken, ohne Waschen. Die Front rückt näher. Wie­der Wei­ter­marsch, Selek­tio­nen. Der Vater wird „aus­sor­tiert“. Im letz­ten Moment ret­tet ihn Elie und zieht ihn auf die ande­re Seite.

Dann War­ten auf den Zug. Der Schnee wird zum Ersatz für das feh­len­de Was­ser. Er wird vom Rücken des Vor­der­man­nes gelöf­felt. Die Wär­ter lachen dar­über. Der Zug fährt los. Ab und zu wer­fen beim Halt die Wär­ter ein Stück Brot in den Wagon. Der Streit dar­um kos­tet eini­ge das Leben. Elie wird von einem Gefan­ge­nen gewürgt. War­um? Die Ant­wort bleibt offen.

Unter­wegs: Letz­tes Auf­bäu­men der Über­le­ben­den. Dann die Ankunft in Buchen­wald: Duschen, Selek­ti­on, Baracken.

Der Vater will ster­ben. Er ist kraft­los, über­steht gera­de noch einen Bom­ben­alarm. Er hat die Ruhr und kommt in die Kran­ken­ba­ra­cke. Elie darf ihn beglei­ten und küm­mert sich um ihn. Essen bekommt der Vater nicht mehr, zu gefähr­lich bei die­ser Krank­heit. Nun bet­telt er sei­nen Sohn an, beschimpft ihn, bis die­ser ihm, schwe­ren Her­zens, vom eige­nen Brot abgibt.

Es ist gut mög­lich, den fol­gen­den Abschnitt gekürzt zu erzäh­len, vor allem, wenn es die Auf­merk­sam­keit der Zuhö­re­rin­nen und Zuhö­rer bzw. der zeit­li­che Rah­men erfordern.

Sei­te 144 — 150: „Mein Vater wur­de von Tag zu Tag schwä­cher … hät­te ich dort etwas wie das Wört­chen „end­lich frei!“ entdeckt …”

Schluss

Sei­te 150 — 153: „Ich soll­te bis zum 11. April in Buchen­wald blei­ben … Sein Bick ver­lässt mich nicht mehr.”

Das Buch lang­sam schlie­ßen. Die Anwe­sen­den anse­hen, für die gemein­sa­me Lesung und die Auf­merk­sam­keit dan­ken. Unter Umstän­den den wei­ten Lebens­weg Elie­ser Wie­sels, sie­he Vor­be­rei­tung skizzieren.

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Susanne Ristau
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