Siri ist schlau, denkt man sich. Computer wissen mehr als Menschen, könnte man meinen. Muss man dann nicht nachziehen und Denken optimieren, Gehirnströme tunen und die Menschheit neuronal vernetzen? Klingt nach einem Wettbewerb, dessen Ausgang offen ist: Utopie oder Dystopie? Platinen ins Gehirn einzubauen ist kompliziert, aber mit Gedanken eine Drohne zu steuern, das klappt schon. Verändert sich mit dem menschlichen Denken auch das menschliche Bewusstsein, auch die menschliche Identität? Sind Menschen dann noch Mensch? Oder muss Menschsein neu gedacht werden?
Die Digitalisierung ist kein Prozess, der nur durch wirtschaftliche Erwägungen gesteuert wird. Er ist auch ein sozialer Akt der Selbstreflexion, eine Suche nach Identität und Wahrheit. In der analogen Welt galt:
Wie sich im Wasser das Angesicht spiegelt, so ein Mensch im Herzen des andern.
Sprüche 27,19
Aber gilt das auch für die digitale Welt,
… in der der Spiegel der allgegenwärtige Monitor ist, an der Wand, auf dem Tisch, in jeder Hand: der kalte, glänzende Bildschirm eines Fernsehers, eines Computers, eines Smartphones?
Charlie Brooker, Black Mirror
Kernkompetenz: Religiöse Motive und Elemente in der Kultur identifizieren, kritisch reflektieren sowie ihre Herkunft und Bedeutung erklären.
Jahrgang: ab 9. Jahrgangsstufe
Arbeitsformen: Filmanalyse, Kahoot.it, Akrostichon, Positionslinie, biblische Lektüre
Hintergrundinformationen:
Über die Sendung und die Webserie: https://homodigitalis.tv
Identität -> https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/identitaet/6968
Homo Digitalis — Ein Upgrade für dein Gehirn
- Schaut den Film im Plenum.
- Tauscht euch über eure Ideen, Fragen und Assoziationen aus.
- Isoliert die euch interessierenden Kernfragen oder Leitgedanken und bildet Lerngruppen.
- Bereitet euer Thema und die Fragen so auf, dass ihr euer Interesse in einer Präsentation an die anderen Gruppen weitergeben könnt und mithilfe ihres Feedbacks in ein vertieftes Nachdenken über Denken, Identität und KI kommt.
Die folgenden Kapitel wollen eine Hilfe sein.
Kapitel: Was das Smartphone heute schon kann (00:21 — 01:06)
- Prüft mithilfe dieser Kahoot euer Wissen zum Smartphone.
- Selbstversuch: Entdeckt mithilfe von Detox-App (Android) oder Forest (iOS) euer Nutzungsverhalten. Haltet die Ergebnisse in Protokollen fest und tauscht euch über die Ergebnisse aus:
- Was war dir vorher bewusst?
- Was war neu?
- Bewegt sich für dich alles im Grünen Bereich?
- Willst du etwas ändern?
- Denkt über die Intelligenz von Assistenzsystemen wie Siri oder Cortana nach.
- Wenn du dir ein intelligenteres Smartphone wünschen könntest: Was müsste dieses Gerät können?
Kapitel: Wie das Gehirn mit KI mithalten kann (01:07 — 02:34)
Am Ars Electronica FutureLab in Linz, Österreich wird erforscht, wie sich maschinelles und menschliches Denken verbinden kann. Dabei arbeiten Science-Fiction-Autoren, Ingenieure, Informatiker und Psychologen zusammen. Aus diesem kreativem Pool entstehen Ideen zur Steuerung von Maschinen und spannende Romane.
- Beschreibe die Steuerung von Geräten mithilfe von Gedanken.
- Entwickelt Theorien über das Lernen und diskutiert die Frage, wie Schulen für das 21. Jh. aussehen müssen.
- Erkläre den Gewinn dieser Arbeit für Sience-Fiction-Autoren.
- Erläutere ethischen Herausforderungen, an denen sie gemeinsam arbeiten.
Kapitel: Manipulierte Erinnerungen (02:35 — 04:31)
Identität kann als Antwort auf die Frage verstanden werden, wer ein Mensch ist. Genauer gesagt ist es die Frage nach dem Verhältnis von Kontinuitäten einer Person und ihren inneren sowie äußeren Wandlungen. Damit hat die Psychologie eine philosophische Frage des Platon aufgenommen:
Aber obgleich ein Mensch denselben Namen führt, bleibt er doch niemals in sich selbst gleich, sondern einerseits erneuert er sich immer, andererseits verliert er anderes: an Haaren, Fleisch, Knochen, Blut und seinem ganzen körperlichen Organismus. Und das gilt nicht nur vom Leibe, sondern ebenso von der Seele. Charakterzüge, Gewohnheiten, Meinungen, Begierden, Freuden und Leiden, Befürchtungen: alles das bleibt sich in jedem einzelnen niemals gleich, sondern das eine entsteht, das andere vergeht.”
(Platon, Symposium, 1958, 127f.)
Identität ist ein Akt sozialer Konstruktion. Sie zielt auf die Anschlussfähigkeit oder Passung zwischen subjektiven Perspektiven: „Ich bin …” oder: „Die möchte ich sein …” und Zuschreibungen, die von außen angetragen werden: „Er ist ein …” oder: „So wird sie sich entwickeln …”.
Die Frage nach Identität führt folglich im Kern auf die Bedürfnisse nach Anerkennung und Zugehörigkeit. Die Suche nach Identität ist eine Gratwanderung zwischen Authentizität und sozialer Anpassung. Die Erinnerungen stellen in diesem Sinn die Qellen unserer Identität dar. Zugleich sind sie Konstruktionen oder Ergebnisse der menschlichen Sehnsucht nach Zugehörigkeit und Anerkennung.
- Erstelle ein Akrostichon und bestimme, wer du bist.
- Zeitreise: Erzähle von deinen ältesten Erinnerungen.
- Bestimme auf einer biografischen Zeitleiste die für deine Identität bedeutsamen Momente.
- Erkläre Zusammenhänge zwischen Kontinuitäten, Wandlungen und Erinnerungen. Visualisiere die Zusammenhänge in einer Grafik, z.B. in einer biografischen Landkarte, einem Garten oder einem Stadtplan.
- Diskutiert in der Lerngruppe mit Rückgriff auf eure Grafiken, inwiefern ein Eingriff in die Erinnerungen sich negativ oder positiv auf die Identitäten von Menschen auswirken kann. Formuliert Fallbeispiele.
Kapitel: Aufmerksamer, konzentrierter, kreativer: Maschinenlesbare Hirnströme (04:32 — 06:05)
Der US-amerikanische Entwickler Bryan Johnson will noch weiter. Seine Implantate sollen die kognitiven und womöglich auch empathischen Fähigkeiten eines Menschen beschleunigen und effektivieren.
- Gib das Vorhaben Bryan Johnsons mit eigenen Worten wieder.
- Muss sich der Mensch optimieren? Präsentiere deine Einstellung mithilfe einer Positionslinie:
JA! <- Hier stehe ich! -> Nein!
Ordnet die unterschiedlichen Begründungszusammenhänge in einer Mindmap. - Kann man die Humanmedizin und ihre Entwicklungen und modernen Möglichkeiten als Optimierungsversuch oder ‑prozess des Menschen verstehen? Sammelt Argumente und Beispiele und führt eine Pro- und Contra-Diskussion.
- Im Alten Testament wird in unterschiedlichen Texten von der Erschaffung des Menschen durch Gott erzählt. Im Schöpfungshymnus Gen 1,31 wird das Geschöpf beurteilt. In Gen 2,18 findet sich eine weitere Einschätzung.
Inwiefern spiegeln sich in den Texten Überlegungen der biblischen Autoren zur „Optimierung” des Menschen.
Kapitel: Schnittstellen zum Gehirn (06:06 — 09:40)
- Stelle die Position Ian Pearsons zur Zukunft vernetzter menschlicher Hirne dar und formuliere ein eigenes Statement.
- Erläutere das Experiment an der Ars Electronica, Linz und kläre die Bedeutungen von Konzentration und Ablenkungfreiheit.
- Diskutiert die Frage, ob die sonst hochgelobte „Konzentration” nicht auch Gefahren in sich birgt.
- In Mt 8,5−10 wird von einer Fernheilung gesprochen. Empathie oder Mitgefühl bekommen in dieser Geschichte eine große Bedeutung. Diskutiert die Vergleichbarkeit mit dem Experiment.
- Beurteilt die positiven Potentiale der Hirnschnittstellen an selbstgewählten Beispielen.
- Entwickelt Theorien, warum ausgerechnet der Spitzenforscher Christopher Lindinger vor einer letzten Vernetzung der menschlichen Gehirne warnt.
Was passiert, wenn es uns gelingt, das Organ zu verändern, das unser Denken bestimmt, unser Bewusstsein, unsere Identität? Bleiben wir dann noch Mensch?
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HOMO DIGITALIS
Ob tief im Westen, fern im Osten,
Ein ständiges Mailen und Posten.
Das Handy ist Körperteil geworden,
Gehegt und gepflegt allerorten.
Wir legen es kaum noch aus der Hand,
Eine Manie überzieht das Land.
Man geht gebeugt mit gesenktem Blick,
Schaut weder nach vorn noch zurück.
Man ist ständig beim Interagieren,
Google und Facebook triumphieren.
Man kann auf so mancherlei verzichten,
Auf’s elektronische Glied mitnichten.
Das Smartphone demonstriert seine Macht,
Wir sind im Netz gefangen Tag und Nacht.
Rainer Kirmse , Altenburg
Herzliche Grüße aus Thüringen
Danke für die Zeilen. Schöne Idee, mit Gedichten zu arbeiten. Gibt es da noch mehr von?, Herzliche Grüße aus dem Harz