Das Neue Evangelium

Ein Pas­si­ons­film für das 21. Jahr­hun­dert, für Euro­pa: Was gehört da hin­ein? Wie muss erzählt wer­den? Wel­che Bil­der tau­gen dafür? Braucht es Spe­zi­al-Effects? Und wel­che Musik? Und wie kann ein sol­cher Film mit den christ­li­chen Tra­di­tio­nen ver­bun­den wer­den? Sind die Erzähl­kon­zep­te der frü­hen Kir­che ein­fach so zu „bebil­dern”? Oder ent­steht bei jedem Ver­such nicht ein „neu­es” Evangelium?

Der Ansatz für das „Neue Evan­ge­li­um” Milo Raus war die Fra­ge, wer oder was Jesus heu­te sein könn­te, was er sagen, mit wem er sich umge­ben, wofür er ein­tre­ten und womög­lich sogar ster­ben wür­de. Die Ant­wort fand der Schwei­zer Regis­seur in Mate­ra, in einer Begeg­nung mit dem poli­ti­sche Akti­vis­ten Yvan Sagnet. Der Kame­ru­ner stu­dier­te in Ita­li­en und sam­mel­te eige­ne Erfah­run­gen als Ern­te­hel­fer. 2011 unter­stütz­te er den ers­ten Streik der Farm­wor­ker mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund in Süd­ita­li­en. Sei­ne Per­spek­ti­ven, die Geschich­te des Streiks, das Leben in den Ghet­tos Mate­r­as spie­geln sich im „Neu­en Evangelium”.

Inso­fern kön­nen mit die­ser Pas­si­ons­ver­fil­mung die sozia­len und poli­ti­schen Her­aus­for­de­run­gen der Gegen­wart (Migra­ti­ons­be­we­gun­gen, Nach­hal­tig­keit, Kapi­ta­lis­mus, Ras­sis­mus etc.) erschlos­sen und zugleich die Rele­vanz der früh­christ­li­chen Pas­si­ons­er­zäh­lun­gen für die Gegen­wart dis­ku­tiert werden.

Kern­kom­pe­tenz: Grund­for­men bibli­scher Über­lie­fe­rung und reli­giö­ser Spra­che verstehen.

Jahr­gang: 10 – 12

Arbeits­for­men:

Den Film gibt es als Leih-DVD und Stream im Ver­leih der Evan­ge­li­schen und Katho­li­schen Medi­en­zen­tra­len unter: https://​medi​en​zen​tra​len​.de/​m​e​d​i​u​m​4​6​2​4​8​/​D​a​s​-​n​e​u​e​-​E​v​a​n​g​e​l​ium

Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen:

Offi­zi­el­le Web­site: https://​das​neueevan​ge​li​um​.de

Pres­se­heft zum Film : https://​das​neueevan​ge​li​um​.de/​d​o​w​n​l​o​a​d​s​/​D​A​S​_​N​E​U​E​_​E​V​A​N​G​E​L​I​U​M​_​P​r​e​s​s​e​h​e​f​t​.​zip

Fra­gen unse­rer Zeit: Film­dienst

Inter­view im Flu­ter

Zehn berühm­te Ver­fil­mun­gen der Pas­si­on: Zwi­schen Illus­trie­run­gen, Effek­ten und her­me­neu­ti­schen Transformationen

Jesus, Der Akti­vist. Viel­leicht der bes­te Film zu Ostern 2021

Kino​fens​ter​.de: Film­be­spre­chung und Unterrichtsideen

SWR 2 -> Die Rech­te der Toma­ten­pflü­cker mit eige­ner Hör­funk­re­por­ta­ge und Transkript

Phase 1: Was macht einen guten Jesusfilm aus?

  1. Sam­melt Kri­te­ri­en für einen „guten” Jesusfilm.
  2. Erstellt eine Lis­te von Pas­si­ons­fil­men und nehmt ein Ranking/​Plazierungen vor.
  3. Berei­tet Prä­sen­ta­tio­nen zu aus­ge­wähl­ten Ver­fil­mun­gen vor. Stellt die Hand­lung in Grund­zü­gen dar. Erläu­tert Hin­ter­grün­de der Ent­ste­hung. Äußert euch zur Rezep­ti­ons­ge­schich­te. Klärt im Vor­feld die exem­pla­ri­schen Aus­schnit­te, mit deren Hil­fe die erzäh­le­ri­schen und ästhe­ti­schen Mit­tel des Films deut­lich wer­den. Unter­sucht die sozia­len, poli­ti­schen und chris­to­lo­gi­schen Fra­ge­stel­lun­gen und Deu­tungs­an­ge­bo­te des jewei­li­gen Films.

Phase 2: Einen Einstieg in „Das Neue Evangelium” finden (00:00:00 — 00:08:00)

  1. Seht euch die ers­ten acht Minu­ten des Films an.
  2. Notiert eure Wahr­neh­mun­gen und Irri­ta­tio­nen. Sind die Erwar­tun­gen aus dem Vor­feld erfüllt worden?
  3. Tauscht euch über Ent­de­ckun­gen zu euren Film­prä­sen­ta­tio­nen aus.
  4. Ana­ly­siert die unter­schied­li­chen Schich­ten des Films und gleicht sie mit der nach­fol­gen­den Prä­sen­ta­ti­on ab.

Phase 3: Einzug in Jerusalem und die Revolution der Würde (00:56:50 — 01:00:29)

Wer zu mir gehö­ren will, darf nicht an sei­nem Leben hän­gen. Er muss sein Kreuz auf sich neh­men und mir auf mei­nem Weg folgen
Mt 16,24″
„Die Jün­ger woll­ten ihm die Tem­pel­an­la­ge zei­gen mit ihren präch­ti­gen Bau­wer­ken. Jesus sag­te zu ihnen: ‚Ihr bewun­dert das alles? Amen, das sage ich euch: Hier wird kein Stein auf dem ande­ren blei­ben. Es wird alles zer­stört werden.’ ”
Mt 24,2
„In Jeru­sa­lem ging Jesus in den Tem­pel. Er jag­te alle Leu­te hin­aus, die im Tem­pel etwas ver­kauf­ten oder kauf­ten. Die Tische der Geld­wechs­ler und die Stän­de der Tau­ben­ver­käu­fer stieß er um.”
Mt 21,12

  1. Tauscht euch in der Lern­grup­pe über die Sze­ne aus.
  2. Inter­pre­tiert die Zita­te aus dem Mat­thä­us­evan­ge­li­um mit­hil­fe des Filmausschnitts.
  3. Dis­ku­tiert, inwie­fern durch die fil­mi­sche Inter­pre­ta­ti­on der bibli­schen Tex­te Milo Rau das Evan­ge­li­um ange­mes­sen dar­ge­stellt oder poli­tisch intru­men­ta­li­siert hat.

Zur Ver­tie­fung: Die Revo­lu­ti­on der Würde

Ver­liert der Mensch sei­ne Würde, wird er zum Tier, zum Objekt. Die ‚Revol­te der Würde‘ umfasst also die Bemühungen der Men­schen, mensch­lich zu blei­ben. Wer für die eige­ne Würde und das eige­ne Wohl­erge­hen ein­tritt, kämpft damit für die Würde und das Wohl­erge­hen aller Men­schen. Die­se Leh­re können wir aus den Evan­ge­li­en zie­hen. Aber wir können sogar noch einen Schritt wei­ter­ge­hen und sagen: Wir dürfen nicht aufhören, die Unge­rech­tig­kei­ten der Welt zu ver­ur­tei­len. Denn die­se Fähigkeit zu ver­lie­ren, bedeu­tet den Abstieg in die Bar­ba­rei. Wir leben in Zei­ten, in denen wir es uns nicht mehr leis­ten können, nichts zu tun. Wir müssen uns zusam­men­schlie­ßen, um mit ver­ein­ten Kräften das Böse zurückzudrängen, das, was die Bibel „Teu­fel“ nennt. Des­halb for­de­re ich alle Orga­ni­sa­tio­nen, alle Men­schen auf, sich der ‚Revol­te der Würde‘ anzuschließen.“
Yvant Sagnet

  1. Tauscht euch mit­hil­fe einer Pro- und Con­tra-Dis­kus­si­on dar­über aus, ob die Rede von „Revo­lu­ti­on der Wür­de” eine zeit­ge­mä­ße Wie­der­ga­be des neu­tes­ta­ment­li­chen „Reich Got­tes” ist.

Phase 4: Folter und Rassismus (01:16:03 — 01:20:43)

Die Sol­da­ten knie­ten sich vor Jesus nie­der und machen sich über ihn lus­tig: ‚Hoch lebe der König der Juden!’ Sie spuck­ten ihn an, nah­men ihm den Stock weg und schlu­gen ihn damit auf den Kopf.”
Mt 27,29f.

Ein trai­nier­ter Ita­lie­ner bewirbt sich um die Rol­le eines römi­schen Sol­da­ten. Milo Rau bit­tet im Cas­ting um eine spon­ta­ne Fol­ter­sze­ne. Der Schau­spie­ler fol­tert stell­ver­tre­tend einen schwar­zen Plas­tik­stuhl. Mit frei­em Ober­kör­per, ver­schwitzt, ein Kru­zi­fix an der Hals­ket­te, prü­gelt er auf den Stuhl ein, beglei­tet von ras­sis­ti­schen Wit­zen. Die Wirk­sam­keit ras­sis­ti­scher Spra­che und dis­kri­mi­nie­ren­den Den­kens wird erlebbar …

Schau­pie­ler: Mir wür­de jede Rol­le gefal­len. Viel­leicht auch … Viel­leicht auch eine Rol­le als Sol­dat, der Jesus schlägt und miss­han­delt, wäre inter­es­sant. Das wäre auch schon sehr inter­es­sant. Beson­ders als Katho­lik. Den hei­li­gen Gott zu töten und zu massakrieren.

Milo Rau: Inter­es­sant. Machen wir eine Pro­be. Eine Fol­ter­sze­ne. Mit der Peitsche.

Regiess­as­sis­tenz: Natürlich.

Milo Rau (zur Assisstenz): Du kannst alles erklä­ren. T‑Shirt. Wasser.

Regie­sas­sis­tenz: Das ist die Peit­sche. Zieh dein Hemd aus. Die Bril­le auch.

Schau­spie­ler: Weißt du, was an einem Schwar­zen weiß ist? …

Zur Ver­tie­fung: Doro­thea Mar­cus im Inter­view mit Yvan Sagnet und Milo Rau

Aus dem Inter­view des Bonus­ma­te­ri­als 00:27:50 — 00:29:13 min

Es gab natür­lich vie­le Men­schen, die den Film ablehn­ten. Ich erin­ne­re mich etwa an einen Arti­kel, der uns wäh­rend des Drehs sehr scho­ckiert hat. Er stand in La Veri­tà, der größ­ten kon­ser­va­ti­ven Tages­zei­tung. Die schrie­ben, als wir die Sze­ne dreh­ten, in der Jesus über das Meer wan­delt, auf ihrer Titel­sei­te, ich zitie­re: „Könn­ten die Afri­ka­ner wirk­lich über das Meer gehen, wäre das ein ech­tes Pro­blem für uns.” Dar­an sieht man den Zynis­mus, der in Ita­li­en immer noch an der Tages­ord­nung ist, im Hin­blick auf die Migran­ten, die­ser extre­me Ras­sis­mus. Das wur­de in unse­rem Film also zu einem gro­ßen The­ma, der Ras­sis­mus und sein Zusam­men­hang mit dem kapi­ta­lis­ti­schen Sys­tem der Aus­beu­tung. Da sehe ich das Pro­blem: Der Ras­sis­mus steht im Zen­trum des Kapi­ta­lis­mus. Er ist nicht ein­fach in den Her­zen der Men­schen zu suchen. Es hängt wirk­lich von den Bezie­hun­gen ab, die bei uns mög­lich sind. Und eine Mög­lich­keit ist es, wie Yvan es beschrie­ben hat, die­se Men­schen tat­säch­lich zu tref­fen und Geset­ze zu machen für eine ech­te Gesell­schaft der Teil­ha­be. Dafür kämp­fen wir in die­sem Film, nicht so sehr gegen Populisten.”
Milo Rau

Phase 5: Kreuzigung und Auferstehung (01:38:14 — 01:40:09)

  1. Gebt mit eige­nen Wor­ten wie­der, wie Milo Rau Jesus am Kreuz inszeniert.
  2. Dis­ku­tiert, wie das „Cut” aus dem Off (01:38:43), das Auf­rich­ten des Schau­spie­lers und die Decken inter­pre­tiert wer­den können.
  3. Beur­teilt, ob die­se Inter­pre­ta­ti­on der Auf­er­ste­hung durch Milo Rau ange­mes­sen ist.

Zu Ver­tie­fung: Leucht­feu­er am Horizont

Das Volk, das in der Fins­ter­nis lebt, hat ein gro­ßes Licht gese­hen. Es scheint hell über denen, die im düs­te­ren Land wohnen.”
Jes 6,1
„Geht nun hin zu allen Völ­kern und ladet die Men­schen ein, mei­ne Jün­ger und Jün­ge­rin­nen zu wer­den … Und lehrt sie, alles zu tun, was ich euch gebo­ten habe! Seid gewiss: Ich bin beu euch, jeden Tag, bis zum Ende der Welt.”
Mt 28,19f.

Der Film endet mit einer Sze­ne ohne Men­schen, am Strand des Mit­tel­mee­res. Es ist Nacht. Am lin­ken Rand blinkt regel­mä­ßig ein Leucht­feu­er auf. Aus dem Off wer­den zwei Zita­te aus der Bibel eingesprochen.

  1. Dis­ku­tiert die sozia­le und poli­ti­sche Bedeu­tung tra­di­tio­nel­ler reli­giö­ser Tex­te für die Gegenwart.

Phase 6: Ein Neues Evangelium (01:40:10 — 01:43:24)

Ich den­ke, es ist eine fil­mi­sche Adap­ti­on der Bibel expli­zit für unse­re Zeit gewor­den, mit dem ers­ten schwar­zen Jesus in der europäischen Film­ge­schich­te und mit einer Beset­zung, die im bes­ten Sin­ne des Wor­tes divers ist. Neben inter­na­tio­na­len Stars und Poli­ti­kern spie­len Akti­vis­ten, Land­ar­bei­ter und nor­ma­le Bürger die Haupt­rol­len. Maria Mag­da­le­na ist in unse­rem Film eine zen­tra­le Figur, man­che der Apos­tel unse­res „neu­en“ Jesus sind weib­lich und ihre Mehr­zahl ist – inter­es­san­ter­wei­se – mus­li­mi­schen Glau­bens. Am meis­ten freut mich aber, dass unser Film sich auf die Realität aus­wirkt: Rund um Mate­ra wur­den, wie Sie am Ende des Films sehen können, infol­ge der ‚Revol­te der Würde’ die ers­ten ‚Häuser der Würde‘ gegründet: Häuser, in denen die zuvor obdach­lo­sen Sta­tis­ten des Films nun in Würde und Selbst­be­stimmt­heit leben können. Und das mit Unterstützung der katho­li­schen Kir­che!“ — MILO RAU

  1. Recher­chiert den Begriff „Evan­ge­li­um”.
  2. Schaut den Abspann und arbei­tet die Hoff­nungs­mo­men­te („Haus der Wür­de”, „Toma­ten­so­ße der Wür­de” etc.) her­aus, die sich nach Dre­hen­de abzeichnen.
  3. Klärt, inwie­fern der unre­flek­tier­te Kauf von Toma­ten­so­ße die Bür­ger Euro­pas zu Unter­stüt­zern mafio­ser Land­wirt­schaft macht (sie­he Pha­se 3).
  4. Dis­ku­tiert, ob die­ser Film als ein „Neu­es Evan­ge­li­um” oder eine Wie­der­ent­de­ckung des „ursprüng­li­chen” Evan­ge­li­ums ver­stan­den wer­den kann.
  5. Dei­ne Emp­feh­lung: Im Reli­gi­ons- und Ethik­un­ter­richt der Ober­stu­fe schau­en oder lie­ber nicht?
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Andreas Ziemer
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