Nicht meine Verantwortung

Die Sän­ge­rin und Song­wri­te­rin Bil­lie Eilish ist neben ihren musi­ka­li­schen Erfol­gen auch für ihren Klei­dungs­stil bekannt. Mit die­sem möch­te sich nicht etwa auf­fal­len, son­dern in einer durch öffent­li­che Beur­tei­lung gepräg­ten Bran­che ver­hin­dern, dass sich jemand ein Urteil über ihren Kör­per bil­den kann. „Nie­mand kann sagen: ‚Sie hat einen fla­chen Hin­tern, sie hat einen fet­ten Arsch!‘ Nie­mand kann sol­che Mei­nun­gen haben, weil sie es nicht wis­sen“, sag­te sie in einem Inter­view. In ihrem Kurz­film NOT MY RESPONSIBILITY wen­det sich Bil­lie Eilish gegen Body­s­ha­ming, weist die Ver­ant­wor­tung für die abwer­ten­den Urtei­le von sich und berührt damit auch die Fra­ge auf, wor­auf wir unse­re Vor­stel­lun­gen von unse­rem Gegen­über eigent­lich gründen.

Der Kör­per, mit dem ich gebo­ren wur­de, ist nicht das, was du wolltest?

Wenn ich etwas Beque­mes tra­ge, bin ich kei­ne Frau.

Wenn ich die Schich­ten able­ge, bin ich eine Schlampe.“

Die­se Text­pas­sa­ge (in frei­er Über­set­zung) stammt aus dem im Kurz­film ein­ge­spro­che­nen Text und ver­deut­licht recht poin­tiert die unlös­ba­re Auf­ga­be vor der vie­le Men­schen, v.a. Frau­en in der Öffent­lich­keit, ste­hen. Das Phä­no­men ist natür­lich nicht auf die Unter­hal­tungs­bran­che beschränkt, son­dern zeigt sich genau so in Poli­tik und Wirt­schaft und im Pri­va­ten. Das Pro­blem ist dabei nicht, dass jeder ande­re Vor­stel­lun­gen von Ästhe­tik und Attrak­ti­vi­tät hat, was schnell als Abwehr­stra­te­gie ins Feld geführt wird. Die Fra­gen sind viel­mehr ande­re. Wie viel Leid ent­steht dadurch, dass Men­schen das Gefühl ver­mit­telt bekom­men, dass der Kör­per, in den sie hin­ein­ge­bo­ren wur­den, nicht genügt? Wie viel gute Gemein­schaft geht ver­lo­ren, bzw. schlech­te Gemein­schaft ent­steht, weil wir Men­schen nicht ins Herz schau­en, son­dern pri­mär auf ihr Äuße­res ach­ten? Und wie vie­le Men­schen kön­nen ihre Fähig­kei­ten nicht ein­brin­gen, weil man Ihnen auf­grund ihres Äuße­ren jene Fähig­kei­ten nicht zutraut?

Im Kon­text von Bil­lie Eilishs Kurz­film geht es natür­lich unmit­tel­bar um Sexis­mus gegen öffent­lich wir­ken­de Frau­en. Im wei­te­ren Sin­ne betrifft es aber die Fra­ge, wie wir Men­schen anse­hen und ange­se­hen wer­den wollen.

Kern­kom­pe­tenz: Ethi­sche Ent­schei­dungs­si­tua­tio­nen im indi­vi­du­el­len und gesell­schaft­li­chen Leben wahr­neh­men, die christ­li­che Grund­le­gung von Wer­ten und Nor­men ver­ste­hen und begrün­det han­deln können.

Jahr­gang: 8 – 12

Arbeits­for­men: Text­col­la­ge

Medi­en:

Methodisches Vorgehen

Einstieg

Da es sich um eine ins­ge­samt sehr per­sön­li­che The­ma­tik han­delt, wäre es sicher gut im Vor­feld Erfah­run­gen und Ein­stel­lun­gen der Schü­le­rin­nen und Schü­ler zu ermit­teln und sie für das The­ma zu sensibilisieren.

Denk­bar wären unter­schied­li­che Sozi­al­for­men. Die fol­gen­den Anre­gun­gen kön­nen in einem ein behut­sam geführ­ten Unter­richts­ge­spräch, in einem Schreib­ge­spräch oder auch zunächst in Ein­zel­ar­beit bedacht werden.

Mög­li­che Impulse:

  • Wenn ich einen Men­schen ken­nen­ler­ne, ach­te ich zual­ler­erst … auf. Spä­ter kom­men dann ande­re Din­ge hin­zu, etwa…
  • Ich habe schon ein­mal die Erfah­rung gemacht, dass ich mich vom Äuße­ren einer Per­son habe blen­den las­sen. Das war so…
  • Ich habe schon ein­mal die Erfah­rung gemacht, dass mir auf­grund mei­nes äuße­ren Erschei­nungs­bil­des nega­ti­ve Eigen­schaf­ten zuge­schrie­ben wur­den. Das war so…
  • Ich ertap­pe mich manch­mal selbst dabei, dass ich bestimm­te äuße­re Eigen­schaf­ten mit bestimm­ten inne­ren Eigen­schaf­ten ver­bin­de, auch, wenn ich mein Gegen­über gar nicht so genau kenne.

Womög­lich wer­den sich in der Aus­ein­an­der­set­zung mit die­sen und ande­ren Fra­gen ers­te Ansatz­punk­te in der Lebens­welt der Kin­der und Jugend­li­chen erge­ben, wel­che in die wei­te­re Arbeit mit ein­be­zo­gen wer­den können.

Filmarbeit

Da die Sän­ge­rin Bil­lie Eilish einen recht hohen Bekannt­heits­grad hat, kann man zunächst Fra­gen, was in der Lern­grup­pe zu ihr bekannt ist.

Der Kurz­film weist mit Wort und Bild zwei Spu­ren von gro­ßem Bedeu­tungs­ge­halt auf. Es emp­fiehlt sich in jedem Fall min­des­tens den eng­li­schen Text bereit­zu­stel­len. Vie­le Über­set­zun­gen im Netz sind etwas höl­zern und soll­ten ggf. noch kor­ri­giert wer­den. Auf­grund des recht ein­fa­chen Eng­lischs soll­ten höhe­re Klas­se mit weni­gen Hil­fen eine Über­set­zung aber leis­ten kön­nen. Dane­ben soll­te der Film auch wenigs­tens ein zwei­tes Mal mit oder ohne Ton gese­hen wer­den, damit die Bild­spra­che genau­er betrach­tet wer­den kann.

Beob­ach­tungs- und Inter­pre­ta­ti­ons­auf­ga­ben zum Film:

  • Beschrei­be dei­nen ers­ten Ein­druck von der Stim­mung, wel­che sich in Bild und Ton für dich ausdrückt.
  • Gib den Text in eige­nen Wor­ten wie­der und erklä­re, was mit dem Titel „NOT MY RESPONSIBILITY“ gemeint ist.
  • Beschrei­be die Hand­lun­gen von Bil­lie Eilish und inter­pre­tie­re die Bildsprache.
  • Schwarz ist neben Haut- und Haar­far­be der maß­ge­ben­de Farb­ton des Vide­os. Inter­pre­tie­re des­sen Bedeu­tung auch im Zusam­men­hang mit dem Text.
  • Erläu­te­re, inwie­fern du die von Eilish geäu­ßer­te Kri­tik für berech­tigt und bedeut­sam hältst. Bezie­he dabei gege­be­nen­falls auch eige­ne Erfah­run­gen mit fal­schen und /​oder unge­woll­ten Urtei­len mit ein.

Vertiefungsaufgaben zum Film

Den Text adap­tie­ren und collagieren

Die bereits oben wie­der­ge­ge­be­ne Text­pas­sa­ge zeigt auf, wie bestimm­te Zuschrei­bun­gen wir­ken kön­nen und wie unauf­lös­bar sie für den Beur­teil­ten sein können.

The body I was born with

Is it not what you wanted?

If I wear what is comfortable

I am not a woman

If I shed the layers

I’m a slut”

Der Kör­per, mit dem ich gebo­ren wurde,

ist nicht das, was du wolltest?

Wenn ich etwas Beque­mes tra­ge, bin ich kei­ne Frau.

Wenn ich die Schich­ten able­ge, bin ich eine Schlampe.“ 

Auf­ga­be:

  • For­mu­liert eige­ne kur­ze Text­ab­schnit­te in Anleh­nung an die die­se Zeilen.

Z.B.:

Wenn ich mich zu sehr schmin­ke…, wenn ich mich zu wenig schminke…

Wenn ich zu viel trai­nie­re…, wenn ich zu wenig trainiere…

Wenn ich mich im Unter­richt zu sehr rein­hän­ge…, wenn ich mich zu wenig…

  • Erstellt auf Basis eurer Tex­te eine Collage.

Denk­bar ist hier natür­lich auch noch der Bezug auf ande­re Textbausteine.

Ein Gespräch inszenieren

Abschät­zi­ge Kom­men­ta­re über den Kör­per pro­mi­nen­ter Frau­en errei­chen die­se zumeist über die sozia­len Medi­en. Die Anony­mi­tät oder die schie­re Zahl an Kom­men­ta­ren bie­ten den Kom­men­tie­ren­den Schutz für ihr Tun. In den sel­tens­ten Fäl­len wird dar­aus ein Dia­log ent­ste­hen, der Ange­mes­sen­heit, Schuld und Ver­ant­wort­lich­keit klärt. Gera­de die Ein­sei­tig­keit der Kom­mu­ni­ka­ti­on, wel­che sicher daher rührt, dass man Abschät­zig­kei­ten nicht noch mit Auf­merk­sam­keit wür­di­gen will, führt aber auch dazu, dass der Ein­druck ent­ste­hen kann, es wäre nor­mal so mit und über Men­schen zu sprechen.

  • Auf­ga­be: Ver­fasst und insze­nier­te ein Rol­len­spiel, in wel­chem der Ver­fas­ser oder die Ver­fas­se­rin eines sexis­ti­schen Kom­men­tars, mit sei­nem Tun kon­fron­tiert wird und sich erklä­ren muss.
  • Dies kann rein fik­tiv sein. Es ist aber auch mög­lich den Insta­gram-Account von Bil­lie Eilish auf­zu­ru­fen und dort unter den Bil­dern (etwa der Ver­öf­fent­li­chung des Vide­os NOT MY RESPONSIBILITY) die Kom­men­tar­spal­te zu prü­fen. Bei die­ser Recher­che soll­te die Lehr­kraft aber im Blick haben, dass Insta­gram erst ab 13 Jah­ren erlaubt ist und die Kom­men­ta­re unter den Bil­dern teil­wei­se erheb­lich sexis­tisch und ent­wür­di­gend sind.

Theologische Deutung und weitere Inhaltliche Verknüpfung zum Weiterarbeiten

  • Die Erwäh­lung Davids zum König. 1. Sam 16,7 (~Men­schen sehen mit den Augen, aber Gott sieht das Herz an)

  • Scha­det uns die Schön­heits­kul­tur? — Glad You Asked: Eine inter­es­san­te Repor­ta­ge zum The­ma Schönk­heits­kul­tur, wel­che viel­fäl­tig unter Ein­be­zug von Stu­di­en über aktu­el­le Ent­wick­lun­gen, auch im Zusam­men­hang mit Social Media und Kon­sum berich­tet (deut­sche Unter­ti­tel auf You­Tube mög­lich; sie­he Medien)

  • Fall­bei­spie­le aus der Poli­tik: Erfolg­rei­che Frau­en: Macht schön. Ein span­nen­der Arti­kel zu Macht und Optik erfolg­rei­cher Poli­ti­ke­rin­nen (sie­he Medien)

  • Fall­bei­spie­le aus der Poli­tik: Sexis­mus im Lan­des­par­la­ment von Meck­len­burg Vor­pom­mern. (sie­he Medien)

  • Män­ner­wel­ten“ — Die Mode­ra­to­ren Joko Win­ter­scheidt und Klaas Heufer-Umlauf the­ma­ti­sie­ren in ihrer fin­gier­ten Kunst­au­stel­lung „Män­ner­wel­ten“ Beläs­ti­gung, Sexis­mus und sexu­el­le Gewalt gegen Frau­en im Netz und im All­tag. Durch die Aus­stel­lung selbst führt Sophie Pass­mann. Die dras­ti­sche Dar­stel­lung macht es unbe­dingt erfor­der­lich, dass die Lehr­kraft das Mate­ri­al vor­her prüft und den Ein­satz gege­be­nen­falls verwirft.

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Tobias Neumeister
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2 Gedanken zu „Nicht meine Verantwortung“

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